TSV 1860 München: Stefan Aigner schmeißt als Kapitän hin

München - Mit hängenden Schultern schlich er vom Platz, den Blick gen Boden gesenkt. "Ich will nix sagen", erklärte Stefan Aigner der AZ am Donnerstag nach dem Abschlusstraining. Verschwitzt und mit einem gequälten Lächeln im Gesicht. Wenig später stellte sich heraus, warum der Kapitän so dermaßen und uncharakteristisch wortkarg war: Er war vor dem Auswärtsspiel des TSV 1860 bei Arminia Bielefeld am Freitag (18.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) aus dem Kader geflogen.
Anfangs nur Unglaube. Warum sollte Cheftrainer Vitor Pereira den Urlöwen, im Sommer als Rückkehrer, Identifikationsfigur und Heilsbringer gefeiert, im Kellerduell gegen die Arminen nicht berücksichtigen? War Aigner etwa wieder verletzt? Auf AZ-Nachfrage hieß es von Vereinsseite: keine medizinischen Meldungen. Ergo: Aigner ist gesund. Und dennoch nicht mal im Kader?
Dann die Aufklärung – und die kommt einem Löwen-Beben gleich: Aigner ist nicht mehr Kapitän! Er mag nicht mehr Anführer der Löwen sein. "Er war am Mittwoch bei mir und hat mir erklärt, dass er den Rücktritt vom Kapitänsamt in Erwägung zieht", bestätigte Präsident Peter Cassalette der AZ kurz nach Mittag, "er wollte aber nochmal mit dem Trainer sprechen. Wenn es nun der Fall ist, finde ich es sehr schade. Er ist ein Spieler, der Löwen-Blut in seinen Adern hat. Aus welchen Gründen er zu dieser Entscheidung gelangt ist, kann nur er selbst beantworten."
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Was Aigner auch tat. "Ja, das stimmt. Ich habe den Trainer am Donnerstag darum gebeten, mich so schnell als möglich vom Kapitäns-Amt zu entbinden", sagte er zur Bild. Seine Erklärung: "Ich bin im Sommer zurückgekommen, um mit 1860 Erfolg zu haben. Der Aufstieg in die Bundesliga war das klare Ziel. Durch verschiedene Umstände, wie Verletzungen und Personalwechsel, hat sich die Situation grundlegend verändert. In dieser neuen Situation kann ich das Amt des Kapitäns nicht zu 100 Prozent ausführen."
Da Aigner noch nicht in der Form des Sommers sei, als er gegen ebenjene Bielefelder im Hinspiel den 1:0-Siegtreffer geschossen hat, will er sich rein auf das Sportliche konzentrieren – schwer genug bei Sechzig.
Aigner mit neuer Aufgabe überfordert?
Ein weiterer Grund: Mit Pereira und dessen mit fünf ausländischen Winter-Neulöwen fortschreitender Internationalisierung haben sich die Aufgaben eines Spielführers verschoben. Zu Aigners Ungunsten. "Ich hätte Aigner zugetraut, die verschiedenen Charaktere und Nationalitäten zu einer Einheit zu formen. Damit sage ich nicht, dass er es bisher nicht getan hat", stärkt Cassalette Aigner den Rücken.
Für die Pereira-Löwen ist Aigner, der passabel Englisch, aber kaum einen Brocken Portugiesisch spricht, der Anführer von gestern. Alex Allegro als Übersetzer ist im Moment einer der wichtigsten Männer im Löwen-Kosmos. "Natürlich wird bei uns in der Kabine nicht nur Deutsch gesprochen", gesteht Cassalette, "wir sind leider noch nicht so weit, dass wir uns fünf Superspieler und Identifikationsfiguren leisten können. Sonst würden wir uns die Benders oder Kevin Volland zurückholen. Ein Traum, der leider nicht realisierbar ist."
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Die möglichen Nachfolger
Für Meisterlöwe Peter Grosser ist Aigner "die einzige Identifikationsfigur bei Sechzig". Wenn’s die nicht richten kann, wer dann? "Das muss sich mit so vielen Neuen erst herauskristallisieren", sagt Grosser. Vize Jan Mauersberger, gebürtiger Münchner, war unter Ex-Trainer Kosta Runjaic eine naheliegende Wahl.
Doch der droht seinen Stammplatz an den neuen Abwehrhünen Abdoulaye Ba zu verlieren. Ob der Portugiesisch und Englisch sprechende Senegalese, der wie Torjäger Christian Gytkjaer, Lumor und Amilton im Kader und somit vor seinem 1860-Debüt steht, die Binde erhält? Abwarten. Pereira, der auf der Spieltags-Konferenz kein Wort über Aigner verlor, dachte nur an den zweiten Dreier in Serie – wie auch immer sein Spielführer heißen möge: "Ein Sieg wird uns nach vorne katapultieren."