TSV 1860 München: Ex-Vereinsboss Peter Cassalette im AZ-Interview

Im AZ-Interview blickt Peter Cassalette auf den Absturz der Löwen und seinen Rücktritt als Präsident zurück. "Mich persönlich reizt es sportlich nicht, wenn Sechzig gegen den FC Unterföhring spielt", sagt er.
von  Interview: Matthias Eicher
Peter Cassalette: "Sechzig hat mich viel Energie gekostet. Selbst meine Frau sagt, ich sei extrem gealtert."
Peter Cassalette: "Sechzig hat mich viel Energie gekostet. Selbst meine Frau sagt, ich sei extrem gealtert." © Rauchensteiner/Augenklick

Peter Cassalette (65) war von Ende 2015 bis zum Abstieg der Löwen im Mai 2017 Präsident des TSV 1860.

AZ: Herr Cassalette, vor gut einem Jahr standen Sie mit Vitor Pereira auf einem Balkon des Hacker-Pschorr Bräuhauses…
PETER CASSALETTE: …und er hat verkündet: "We go to the top." Was hätte er auch sagen sollen? Wir haben alle daran geglaubt, dass wir es mit ihm mittelfristig endlich wieder in die Bundesliga schaffen. Dafür wurde er ja geholt.

Sechzig verließ die Liga zum Leidwesen aller Löwen über das andere Tabellenende. Sie sind noch am Tag des Abstiegs zurückgetreten, haben in den letzten Monaten keine Interviews gegeben. Wie sehr schmerzt es noch?
Mancher Sponsor und Freund hat mich angesprochen, ob ich mal mit ins Grünwalder Stadion komme. Die Wunde muss aber noch weiter verheilen. Wenn man nach eineinhalb Jahren großen Einsatzes als einzigen "Dank" eine Verwarnung vom Verein für ein kritisches Interview bekommt, dann ist das schon mehr als traurig. Sechzig hat mich viel Energie gekostet. Selbst meine Frau sagt, ich sei extrem gealtert. Momentan bin ich emotional so weit weg von Sechzig wie nie zuvor in den letzten 30 Jahren, seit ich Mitglied bin. Was ich aber gerne klarstellen würde: Ich bin nicht, wie viele glauben, allein wegen des Abstiegs zurückgetreten.

Sondern wegen vereinsinterner Querelen?
Schon in der Halbzeit des Relegationsrückspiels gegen Jahn Regensburg war leider Gottes absehbar, dass wir es nicht schaffen werden. Ich habe dann alle angeschrieben: Präsidium, Verwaltungsrat, und wir haben uns nach dem Spiel im Büro unseres Anwalts getroffen. Vor der Krisensitzung hatte ich noch gar nicht entschieden, dass ich zurücktrete. Mitglieder des Verwaltungsrats sagten dann: Es geht nur ohne Hasan Ismaik weiter. Dann kam das mehr oder weniger einstimmig von allen Anwesenden: Der Weg mit ihm ist vorbei. Da konnte ich nicht anders, als zu sagen: Leute, ohne mich.

"Dieser Antrag von Ulla Hoppen: Das war doch ein Witz"

Aktuell fährt Sechzig eine Sparpolitik ohne weitere Darlehen von Ismaik.
Mich persönlich reizt es sportlich nicht, wenn Sechzig gegen den FC Unterföhring spielt. Der neu entfachte Hype tut sicherlich gut, aber man muss relativieren, wenn man teilweise gegen Freizeitkicker spielt. Steigt man nicht auf, ist die ganze Euphorie wahrscheinlich auch schnell wieder vorbei. Wie Daniel Bierofka fordert, müsste jetzt eine Perspektive her. Aber den Leuten muss klar sein: Auf diese Art und Weise klappt das nicht! Dieser Antrag von Ulla Hoppen etwa: Das war doch ein Witz. Diesen Antrag hätte der Verein im Vorfeld verhindern müssen. Jetzt haben sie gemerkt: Das ist nicht umsetzbar. Wenn ich höre, man müsse sich nun wieder dem Investor annähern, bekomme ich die Krätze. Ich war so nahe dran wie sonst keiner. Uns hat neben dem Geschäftlichen eine private Freundschaft verbunden. Aktuell zeigt sich einmal mehr: Es geht nicht ohne Investor.

Können Sie als Vertrauter Ismaiks die Lage aus der Sicht des Jordaniers beleuchten?
Von Vereinsseite heißt es doch: Hasan hat die Drittligalizenz verwehrt, hat 1860 am schwarzen Freitag im Stich gelassen. Jetzt frage ich Sie: Was würden Sie tun, wenn Sie als Investor aus dem eigenen Verein heraus immer wieder angegriffen werden? Ein Abteilungsleiter, der auf einer Versammlung der Fußballabteilung seine Parolen gegen Hasan ablässt. Und dieses "Scheichlied"-Video im Internet, von dem sich Markus Drees als Verwaltungsrat nur mühsam distanzierte. Es besteht doch kein Zweifel, in welche Richtung es gehen soll. Dann hast du doch irgendwann die Schnauze voll. Hasan hat auch Fehler gemacht, keine Frage. Wie wir alle. Aber was da passiert ist, ist respektlos!

Muss man sich nicht allein wegen des sportlichen Resultats eingestehen, dass der Weg mit Ismaik gescheitert ist?
Natürlich kann man sagen: Wir waren momentan gescheitert. Hasan mit seinen Trainern, Spielern, Beratern und auch ich, der diesen Weg mitgegangen ist. Da sind aber auch der Verwaltungsrat und das restliche Präsidium, die alle wichtigen Entscheidungen mehrheitlich mitgetragen haben. Hätten wir den Klassenerhalt perfekt gemacht, wäre es wahrscheinlich in eine andere Richtung gegangen. Hasan ist nicht so beratungsresistent, wie viele immer behaupten. Wir hatten schon enge Kontakte mit einigen deutschen Spielern aus der Bundesliga, denn auch er hatte festgestellt, dass es nicht nur mit einer Multikulti-Truppe geht.

An dieser Stelle müssen wir Sie an Ihre Aussage "Wir sind zu gut für den Abstieg" erinnern. Was würden Sie heute anders machen?
Ich habe nach dem Scheitern meiner Vorgänger ja erstmal den Schulterschluss mit Hasan Ismaik gesucht. Dann kam wiederholt der Vorwurf: "Cassalette ist gleich Marionette". Was glauben Sie, wie oft wir diskutiert und gestritten haben? Man hätte bei einigen Dingen, zum Beispiel der Medienabschottung, vielleicht noch konsequenter vorgehen müssen. Aber bezüglich dieser Aussage: Rein von der Qualität her – und das ist ja das Traurige daran – waren wir ja eigentlich zu gut, um abzusteigen. Ich bin auch davon überzeugt: Wären wir nicht abgestiegen, würden wir jetzt oben mitspielen. Aber das ist natürlich alles hypothetisch.

"Hasan wird seine Anteile nicht unter Wert verkaufen"

Zurück in die Realität: Wie kann es aus Ihrer Sicht auf vereinspolitischer Ebene weitergehen?
Die Fronten sind aus meiner Sicht so verhärtet wie schon lange nicht mehr. Hasan wird seine Anteile sicher nicht unter Wert verkaufen, selbst wenn ein Unternehmer daherkommt, ein bisschen Presse macht und Sechzig für ein paar Millionen und ein paar Besserungsscheine kaufen will. Ein anderer Interessent hat mich kürzlich angesprochen, ich solle doch vermitteln. Auch, wenn einer viele Millionen hinlegt – keine Chance! Hasan wird wahrscheinlich solange nicht reagieren, bis geklärt ist, ob die 50+1-Regel fällt. Dann hätte Sechzig einen ganz anderen Wert.

Lesen Sie hier:

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.