TSV 1860 München: Das sagt Karsten Wettberg zur Situation bei den Löwen
München - Karsten Wettberg weiß, wie man es vom Amateurfußball in die Profiliga schafft: Der 76-Jährige führte als Trainer die Löwen Anfang der Neunziger von der Bayernliga in die 2. Liga.
AZ: Herr Wettberg, die Sechzger-Ultras "Münchner Löwen" haben beim 3:0-Sieg gegen den SV Schalding-Heining für den einstigen Torjäger Olaf Bodden, der am Chronischen Erschöpfungssyndrom erkrankt ist, gesammelt. Am Samstag wurde die Summe verkündet, die Bodden über Sie erreichen wird: 5133,94 Euro.
KARSTEN WETTBERG: Es ist eine tolle Sache, wie viel da zusammengekommen ist. Das Schöne ist ja: Bei den Fans ist Olaf unvergessen. Aber auch der Verein hilft mit der Sonder-Edition seines Trikots zu seinen Gunsten und die "Unternehmer für Sechzig" spenden 1860 Euro. Ich war in den letzten drei Wochen auch mit vielen Fanklubs in Kontakt und habe sie um Unterstützung gebeten.
Sie sammeln bereits seit Jahren, stehen mit Bodden in Kontakt. Wie geht es ihm?
Sein Gesundheitszustand ist unverändert, er ist wegen der teuren Medikamente weiter auf Hilfe angewiesen. Mental ist er zur Zeit gut drauf, sicherlich auch, weil sein Umzug geklappt hat: Er wohnt jetzt in Trudering. Er musste lange suchen, weil er ja leider auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Sie selbst waren gegen Schalding-Heining im Grünwalder Stadion. Wie fällt Ihr Fazit in der Winterpause aus?
Nach dem Abstieg stand es schlimm um Sechzig. Keiner wusste, wie es weitergeht. Man muss schon sagen: In sportlicher Hinsicht haben es alle Beteiligten gut in den Griff bekommen – hauptsächlich natürlich einer.
Sie meinen Daniel Bierofka?
Genau, das hätte außer ihm keiner so hinbekommen. Es war ein absoluter Glücksfall, dass er drei Viertel der Mannschaft aus der U21 zusammenstellen konnte. Diesen Kern hat er sinnvoll verstärkt. Es ist sein Verdienst, dass Sechzig lebt und Tabellenführer ist. Die Meisterschaft ist aber noch nicht fix. Der FC Bayern II wird meines Erachtens der Gegner sein. Über die Relegation brauchen wir nicht zu diskutieren: Das sind absolute Endspiele, da gibt es nur harte Brocken.
"Um die Jugendmannschaften steht es nicht gut"
Viele fürchten, dass der entstandene Hype um Sechzig wieder abflacht, wenn der Aufstieg nicht gelingt.
Ich sage: Sechzig muss zurück in den Profifußball! Das sagen auch viele Fans, mit denen ich gesprochen habe: Keiner will einen TSV Grünwald – den es ohnehin schon gibt. Auch keinen TSV Giesing. Die Löwen gehören in die Bundesliga.
In Ihren Worten schwingt der Vorwurf mit, dass manche Entscheidungsträger die Zukunft in der Regionalliga sehen. Präsident Robert Reisinger etwa wurde das immer wieder vorgeworfen, obwohl er den Aufstieg als Ziel ausgegeben hat.
Das nehme ich ihm auch ab. Ich denke, es ist ihm bewusst geworden, dass es gar nicht anders geht. Was mir große Sorgen macht, wenn es nicht klappen sollte: Um die Jugendmannschaften steht es nicht gut. Bei der U19 ist der Zug nach der Niederlage gegen Tabellenführer FC Ingolstadt schon abgefahren. Wir haben quasi keinen Nationalspieler mehr in der Jugend und stehen schlechter da als Unterhaching. Es gibt bald kein Nachwuchsleistungszentrum mehr, wenn Sechzig nicht wieder Profifußball spielt.
Bierofka hat kürzlich an die Vereinsbosse appelliert, eine mittelfristige Perspektive aufzuzeigen.
Allzu verständlich! Die braucht er für sich, denn sonst hat auch er irgendwann keine Lust mehr, sich aufzuopfern. Die braucht aber auch der ganze Verein.
Fragt sich nur, wie die angesichts der schier unüberwindbaren Dissonanzen mit Investor Hasan Ismaik aussehen soll.
Ich bin der Meinung, dass sich beide Seiten – und vielleicht eine dritte – an einen Tisch setzen sollten. Die Vereinsvertreter, Ismaik, warum nicht auch Gerhard Mey, wenn er schon als potenzieller Investor Interesse an 1860 hat? Am besten Ismaik und Mey als stille Teilhaber, neben Bierofka Leute vom Fach am Werk, vielleicht noch den ein oder anderen Ex-Spieler mit Löwenblut. Aber da ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens.