TSV 1860 München: Anthony Power sorgt für Verwunderung an der Grünwalder Straße
München - Strenger Blick, das Handy am Ohr, hinter dem Fenster des dritten Stocks versteckt. So sah man Anthony Power, den neuen Geschäftsführer des TSV 1860, bisher öfter in der Führungsetage an der Grünwalder Straße. Im Stile eines Oberaufsehers beobachtete er nicht nur die Löwen auf dem Platz, sondern auch das Geschehen am Trainingsgelände.
Bis gestern. Jetzt hat sich Power erstmals öffentlich zur Trainerfrage geäußert. „Glaubt nicht alles, was geschrieben wird“, erklärte der neue Vertraute von Investor Hasan Ismaik über die vermeintliche, vom türkischen Portal „Sporx“ verbreitete, Absage von Wunschtrainer Vitor Pereira.
Bisher hatte er, auch auf Anfrage der AZ, keine Interviewwünsche beantwortet. Und sagt auch jetzt: „Die Medien schreiben eh, was sie wollen. Ich sage nichts.“ Auf Nachfrage ergänzte er kurz und knapp: „Der neue Trainer wird sehr bald unterschreiben.“
Kurioser Power-Einstand
Wenn es einer wissen muss, dann Power, der beim 0:1 in Bochum neben dem Trainer-Großkaliber Pereira auf der Tribüne saß. Es könne „heute, morgen oder diese Woche“ sein, aber auch „nächste Woche“. Eine klare Aussage vermeidet er – die Löwen und ihr Power-Spiel.
Löwentrainer-Sein oder Nichtsein, das ist die Frage
Schon der Einstand des Wirtschaftsingenieurs, der 1860 wieder zum Laufen bringen soll, verlief kurios: Die bizarre Pressekonferenz eines tobenden Ismaik, flankiert vom wortkargen Präsidenten Peter Cassalette, bleibt zwar in erster Linie als Abrechnung des Jordaniers mit Ex-Trainer Kosta Runjaic und Ex-Sportchef Thomas Eichin unvergessen. Sie gilt durch die unerwartete Vorstellung jenes Mannes, der anfangs nur danebenstand, um sich später vorzustellen, auch als Powers Empowerment.
Während eine Erklärung der weiteren Power-Pläne mit 1860 auf sich warten lässt, rannte der der 50-jährige US-Amerikaner nach dem 1:0 gegen Dynamo Dresden mit 1860-Handschuhen und zwei Löwen-Schals zu den Spielern aufs Feld.
Spieler fremdeln mit Powers Auftritten
„Power scheint schon immer ein Löwe gewesen zu sein – oder doch erst seit seiner Vorstellung?“, witzelt Allesfahrer Franz Hell. Die Spieler dürften’s ähnlich befremdlich gefunden haben, wie Powers Erscheinen bei der Weihnachtsfeier im „Kuffler“ in der alten Residenzpost.
Power eisgekühlt! Seit er seinen Posten bezogen hat, weht in der Geschäftsstelle ein kalter Wind. Als Beleg gilt die Abschiedsfeier einer Mitarbeiterin, die, wie die „SZ“ berichtet, ein wütender Power als geraubte Arbeitszeit empfunden haben soll. Auch Kleinstrechnungen soll er sich vorlegen lassen, um die Finanzen bis auf den allerletzten Cent zu durchleuchten. Dem könnte sogar das Trainingslager (von 9. bis 18. Januar in Spanien) zum Opfer fallen: Nach AZ-Informationen sind die Unterlagen bei Power auf dem Prüfstand.
Power über Trainerfrage: Entscheidung "bis Ende der Woche"
Möglich auch, dass die Löwen Richtung Dubai (teuer, aber wohl besser unter Ismaiks Kontrolle) abheben oder, wie die „Bild“ berichtet, an der Grünwalder Straße bleiben.
Derzeit scheint ungewiss, ob sich die Sechzger und der neue Boss zusammenraufen. Oder den Clinch auf die Spitze treiben. Cassalette hatte kürzlich nicht nur der AZ erklärt, Powers Inszenierung nicht gutheißen zu können. Er hat ihm auch im Fall Vitus Eicher widersprochen. Die Nummer drei im Tor würde bei einem halben Jahr restlicher Vertragslaufzeit gerne gehen.
Power rief eine überzogene Ablöse auf, Cassalette will Eicher ziehen lassen – Konfliktpotenzial. Die „SZ“ berichtet zudem, dass die bevorstehende Umwandlung weiterer Ismaik-Darlehen in Genuss-Scheine bei Power für Verblüffung sorgte. Mit diesem Gefühl ist er bei 1860 derzeit nicht alleine.