TSV 1860: Lehrer Lienen

Der Löwen-Trainer als Gesellschaftskritiker: Er doziert über die richtige Ernährung, schädliche Wirkung von Alkohol und Zigaretten – und zu wenig Sportunterricht in den Schulen.
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Ärgert sich über seine Mannschaft: Ewald Lienen.
Bongarts/Getty Images Ärgert sich über seine Mannschaft: Ewald Lienen.

MÜNCHEN - Der Löwen-Trainer als Gesellschaftskritiker: Er doziert über die richtige Ernährung, schädliche Wirkung von Alkohol und Zigaretten – und zu wenig Sportunterricht in den Schulen.

Der Mann, den sie einst „Öko“ nannten, der in der Mannschaftskabine der Bielefelder Alm sein Müsli immer aus einer Aluschüssel löffelte, der schleppt mittlerweile selbst ein paar wenige überflüssige Kilo mit sich herum.

Am Freitag bat Lienen seine Kicker auf dem Aufwärmplatz der Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark zum Laktattest. Insgesamt 16 Mal mussten sie die 400 Meter lange Tartanbahn in unterschiedlichen Geschwindigkeiten umlaufen, vier Mal wurde ihnen dabei Blut abgenommen.

Lienen beobachtete, seine Lesebrille auf der Nase, zufrieden, wie alle Spieler mitzogen. Er bot seinem Co-Trainer und Schwiegersohn Abder Ramdane, als der vor der letzten Geschwindigkeitserhöhung ermüdet abbrechen musste, amüsiert 20 Euro, damit er den Test doch noch beendete – und nutzte die Gelegenheit, um vor den Reportern in aller Ausführlichkeit über seine Lieblingsthemen zu dozieren. 65 Minuten redete Lienen über langfasrige und kurzfasrige Muskeln, über Ernährung und die Todsünden Alkohol und Zigaretten. „Die Vorlesung ist beendet“, sagte Lienen in seiner immer mitschwingenden Ironie, als er fertig war.

Die AZ dokumentiert einige von Lehrer Ewalds Thesen: Lienen über...

Laktat-Tests und andere wissenschaftliche Tests für Fußballer:

Felix Magath kann auf Laktattests verzichten. Er kann sich Spieler aussuchen, die sowohl fit sind und die richtige Einstellung haben als auch mit großem Talent gesegnet sind“, sagte Lienen. Aber weil die Löwen eben nicht 30 bis 50 Millionen Euro jedes Jahr für Spieler ausgeben können, müsse er eben auch den Laktat, einen Wert, der einiges über den Fitness- und Konditionszustand und der Spieler aussagt, messen. „Der Laktattest ist für mich nur ein Werkzeug“, sagt Lienen. Eines von vielen. Am Samstag und Sonntag will er seine Spieler in der Praxis vom früheren DFB-Fitnessguru Oliver Schmidtlein nochmal ausgiebig durchchecken lassen und unter anderem die Leistungsfähigkeit der Lunge und die Koordinationsfähigkeit messen. Durch die Komplett-Analyse könne man auch Rückschlüsse auf den Lebenswandel der Profis schließen.

Ernährung und Bewegung:

„Es kann nicht sein, dass Fußballer mehr wissen über ihre Autos als über ihre Körper“, sagt Lienen, „ich habe kein Verständnis dafür, wenn Spieler zu mir kommen und keine Ahnung haben von Ernährung.“ Burger, Pizza und Süßigkeiten für die Spieler sind für den Trainer ein Tabu. Genauso wie Cola. „Wenn sie was Süßes wollen, sollen sie ein paar Weintrauben essen“, meint Lienen.

Für Lienen, der drei Semester Pädagogik studiert hat, ist das Thema Ernährung ein gesellschaftliches Problem: „Wenn wir in den Supermarkt gehen, bekommen wir nur noch industriell gefertigtes Essen. Und das ist alles zu fettig und zu kalorienreich.“ Und noch eine Sache regt Lienen auf: „Wir bewegen uns zu wenig, in den Schulen fällt der Sport-Unterricht aus. Das ist ein Skandal!“ Kinder müssten seiner Meinung nach jeden Tag mindestens eine Stunde lang Sportunterricht haben. „Der Staat tut nichts für die Gesundheit der Kinder. Für Sportunterricht oder Ernährungsunterricht ist kein Geld da. Dafür rettet der Staat dann aber Banken. Das werde ich nie verstehen.“

Alkohol und Zigaretten:

„Spieler haben kein Recht, sich zu besaufen. Das werde ich nicht dulden“, sagt Lienen. Ein Glas Wein hin- und wieder sei okay, mehr aber auch nicht. Eine Todsünde sei es, sich nach Spielen zu betrinken. „Dann kannst du die Regeneration vergessen.“ Und über Zigaretten würde Lienen am liebsten gar nicht reden. Sie den Fußballern zu verbieten, bringe aber nicht viel. „Gehen Sie mal während der Pause in der Kabine aufs Klo. Dann sehen Sie, wie viele Fußballer rauchen“, sagt Lienen. Ob das auch für die Sechzger gilt, sagt Lienen, der weiß, dass er den Kampf gegen alles Ungesunde nicht gewinnen kann, nicht. Manchmal gewinnt er ja noch nicht mal gegen sich selbst.

F. Cataldo

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