TSV-1860-Legende Fredi Heiß: "Richtigen Profifußball spielt Sechzig schon länger nicht mehr"

AZ: Lieber Herr Heiß, zuerst müssen wir uns bei Ihnen nach Ihrer Gesundheit erkundigen: Wie geht's dem Meisterlöwen, der (zumindest in der kalten Jahreszeit) nach Teneriffa ausgewandert ist?
ALFRED HEISS: Danke, es passt schon. Kürzlich war ich in München, weil ich mich einer kleinen Kiefer-Operation unterziehen musste. Bei der Gelegenheit hab' ich gleich mein Knie anschauen lassen, das hat in den letzten Monaten öfter Probleme gemacht. Aber jetzt bin ich wieder in Teneriffa und treffe mich gleich mit ein paar Freunden. Müssen wir uns da jetzt wirklich über Sechzig unterhalten?
Wir bitten darum.
Na gut, wenn es unbedingt sein muss. Aber viel Zeit habe ich nicht - und erzählen kann ich Ihnen leider auch nichts Gescheites.

Beginnen wir doch beim letzten Spiel, dem 0:3 im Grünwalder Stadion gegen Bielefeld.
Ich bin erschüttert, dass Sechzig nach dem 2:5 in Dresden auch zuhause so eine Klatsche kassiert hat. Die Abwehr wackelt, im Mittelfeld hast du keine Dominanz – und dann haust du halt ab und zu ein paar Bälle nach vorne, aber triffst das Tor nicht. Mir fehlt da die richtige Taktik, die gegnerische Abwehr so richtig vor Probleme zu stellen. So kannst du keine Spiele gewinnen.
Fredi Heiß schlägt Alarm: "Ich bin schon bestürzt darüber, wie schlecht es ausschaut"
Ist der Trainereffekt nach dem Rauswurf von Argirios Giannikis und der Verpflichtung von Patrick Glöckner schon verpufft?
Ich hoffe nicht, aber ich befürchte es. Ein neuer Trainer braucht immer ein bisserl Zeit, um der Mannschaft eine Handschrift zu geben. In den ersten Spielen hat es schon so ausgeschaut, als würde das funktionieren, aber leider ging der Schuss jetzt nach hinten los.
1860 hat nur noch einen Punkt Vorsprung vor den Abstiegsrängen. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, in die Regionalliga und damit in den Amateurfußball abzustürzen?
Richtigen Profifußball spielt Sechzig für mich schon länger nicht mehr, aber das ist ein anderes Thema. Ich bin schon bestürzt darüber, wie schlecht es ausschaut. Das ist eine ganz brenzlige Situation, die alles andere als ungefährlich ist. Die Mannschaft muss sich zusammenreißen, dass es die Löwen am Ende nicht zerbröselt. Ich drücke natürlich trotz allem die Daumen, dass Sechzig nicht wieder mit der Tram zu den Auswärtsspielen fahren muss. Ich sehe aber keine guten Zeiten auf Sechzig zukommen. Was mich aber am meisten stört...
...das wäre?
Das wäre, dass Sechzig einfach immer weitergewurstelt hat. Sie tauschen einen Trainer nach dem anderen aus, würfeln jede Saison einen neuen Kader zusammen – und dann hoffen sie, dass man um den Aufstieg mitspielen kann?
Heiß: "Die führenden Leute bei Sechzig haben da einfach keine Philosophie"
Der aktuelle Kader ist den Einschätzungen zahlreicher Beobachter und Experten zufolge allerdings nominell gewiss nicht schlecht besetzt.
Kann schon sein, aber als Mannschaft kriegen sie es trotzdem nicht auf den Rasen und dann fängt man jede Saison wieder vorn vorne an. Man kennt das ja, dass es die Spieler vor oder nach ihrer Zeit bei Sechzig oft besser auf den Rasen kriegen. Die führenden Leute bei Sechzig haben da einfach keine Philosophie.
Das klingt danach, als würden Sie nicht nur der Sportlichen Leitung um Geschäftsführer Christian Werner einen Vorwurf machen.
Man hat nur einen Sportchef, den man mit der Verantwortung alleine lässt. Sechzig hat immer noch keinen Finanz-Boss, geschweige denn irgendeine Galionsfigur. Da gibt's keinen einzigen, der mal eine aufmunternde Botschaft abgibt. Oder versucht, alle Beteiligten aufzurütteln und ihnen aufzuzeigen, welche Konsequenzen ein Abstieg in die Regionalliga hätte. Kein Weckruf, null!
Wen sehen Sie denn da in der Verantwortung?
Im Normalfall wäre das der Vereinspräsident (Robert Reisinger, d. Red.). Aber bei Sechzig und seinen ganzen Gremien zählt ja vor allem der Hauptverein - die Fußballer sind nicht so wichtig! Und der Investor (Hasan Ismaik, d. Red.), mit dem man eigentlich gar nicht zusammenarbeiten will, zahlt schon die Rechnung am Schluss! Aber mehr will ich gar nicht mehr sagen, sonst muss ich mich bloß aufregen. Also hör' ma lieber wieder auf.