TSV 1860: "Kurz vorm Scheitern"
Machtkampf bei 1860 spitzt sich zu: Der Verein schreibt dem Investor, dass Geschäftsführer Schäfer abgelöst werden soll. Zudem streiten die Parteien ums Jugendheim. Zieht sich Ismaik wieder zurück?
München - Als Robert Schäfer am Montagabend von seinem Kurztrip in New York wieder in München landete, fand er auf seinem Smartphone eine Mail von 1860-Präsident Dieter Schneider. Darin enthalten: Ein Positionspapier des Präsidiums und Aufsichtsrates über die aktuellen Probleme des Vereins. Außerdem teilte Schneider dem Geschäftsführer mit, wie dieser zur Problemlösung beitragen könnte. Von einer bevorstehenden Abberufung Schäfers war in dieser Mail nicht die Rede.
Diese Forderung hatte Schneider dafür beinahe zeitgleich an Hamada Iraki geschickt.
Präsidium und Vereinsaufsichtsrat plädierten in dieser Mail dem Vernehmen nach für eine baldmöglichste Ablösung Schäfers als Geschäftsführer. Als Gründe aufgeführt wurden ein „zerrüttetes Vertrauensverhältnis”, welches eine weitere Zusammenarbeit mit Schäfer unmöglich mache. Sollte der Geschäftsführungs-Beirat, der alleine über diese Frage entscheiden darf und in dem neben Schneider und Vereins-Justitiar Guido Kambli auch Iraki und Investor Ismaik sitzen, diesem Wunsch nicht entsprechen, würde der Verein seine Konsequenzen ziehen.
Der Streit zwischen Vereinsgremien und dem neuen Gesellschafter der Profiabteilung hat eine neue Ebene erreicht. Da Iraki und Ismaik nicht vorhaben, Schäfer zu opfern, scheint ein Treffen der beiden Parteien vor Gericht nicht mehr unmöglich. Die Klubgremien diskutieren schon, ob das Experiment mit dem Investor „kurz vorm Scheitern”, so ein Beteiligter, sei.
Iraki schweigt dazu. Und Schneider lässt sich auf Anfrage lediglich entlocken, dass am Ende „auf beiden Seiten der gesunde Menschenverstand die Oberhand gewinnen” werde und man sich – „zum Wohle von 1860” – einigen würde. Mehr als diese Hoffnung bleibt ihm nicht mehr. Die Fronten sind verhärteter denn je. Ein Überblick:
Kann Schneider den Geschäftsführer überhaupt entlassen? Für die Einstellung und Abberufung des Geschäftsführers ist allein der Geschäftsführungs-Beirat zuständig. Dort sitzen neben Schneider und Vereins-Justitiar Guido Kambli auch Iraki und Investor Ismaik. Iraki hat bereits letzte Woche klar gemacht, dass er keinen Grund sehe, Schäfer abzulösen. Daran hat sich nichts geändert. Schäfers Reaktion fällt darum recht trotzig aus. „Mir hat niemand persönlich mitgeteilt, dass ich beurlaubt werden soll. Solange der Beirat keine Entscheidung fällt, erledige ich wie bisher weiter meinen Job.“ Sagt’s und fügt frech hinterher: „Zum Wohle der KGaA“.
Tatsächlich dürfte Schäfer sich mit einigem Recht entspannt zurücklehnen können. Selbst wenn Schneider glauben sollte, dem Geschäftsführer geschäftsschädigendes Verhalten bei seiner Amtsausübung nachweisen zu können, dürfte er den Geschäftsführer nicht im Alleingang kündigen – und eine Mehrheit wird er kaum finden. Im Positionspapier heißt es, dass der Verein seine Konsenqnzen ziehen müsse, sollte der Beirat sich gegen eine Beurlaubung Schäfers aussprechen. Grundsätzlich möglich, aber unwahrscheinlich wäre dann eine Klage der Vereinsseite gegen den Investor oder gar die Aufkündigung der Kooperation. Im Kooperationsvertrag sind diese Eventualitäten übrigens nicht klar geregelt.
Was will der Verein? Kurz gesagt benötigt der Verein die Zustimmung der KGaA, um die Probleme mit dem Finanzamt zu lösen. Entgegen aller Beteuerungen der Vereinsbosse bei der Delegiertenversammlung droht dem Verein weiterhin der Verlust der Gemeinnützigkeit. Der Umgang mit der Erbbaupacht für das Jugendinternat macht den Behörden Sorgen. Der Verein will, um die Probleme zu lösen, unter anderem das Gebäude, das der KGaA gehört, in den eV zurückführen. Notfalls angeblich ohne Zustimmung der KGaA – auf dem Gerichtsweg.
Was will die KGaA? Iraki hat verschiedene Gutachten von Wirtschaftsprüfern eingeholt, die dringend von einer Rückführung des Gebäudes abraten, da dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der KGaA gefährdet werden könnte. Der Verein müsse „als Hauptgesellschafter die Interessen der KGaA wahrnehmen und nicht die des Vereins”, sagte Schäfer der „SZ”. Ein bemerkenswerter Satz, der das Beziehungsgeflecht bei 1860 umschreibt. Er wirft die Frage auf, ob der Verein als Mit-Inhaber der Profiabteilung etwas wollen kann, was den Fortbestand der KGaA gefährdet. Schäfers Vorwurf kaum verklausulierter Auftrag an Schneider: Der Präsident solle sich in seiner Rolle als Mit-Gesellschafter, auch um die Belange der KGaA kümmern und nicht nur versuchen, zu Lasten der Gesellschaft das Beste für den Verein herauszuschlagen. Schäfer selbst meint, die Interessen der KGaA zu vertreten - "auch gegen die Interessen des Vereins, wenn es sein muss." Vorwürfe, er hätte sich auf die Seite des Investors geschlagen, seien "feinste Demagogie."
Was passiert, wenn man sich nicht einigt? Die Vereinsgremien haben intern eine Neuverschuldung der KGaA strikt abgelehnt und dies auch so auf der Delegiertenversammlung postuliert. Schneider hat bisher freilich verschwiegen, dass 1860 – unabhängig von weiteren Investitionen in Spieler – auch in diesem Jahr mit einem Defizit von rund vier Millionen Euro abschließen wird. Man kann sich die 2. Liga schlicht nicht leisten, daran hat Ismaiks Einstieg nichts geändert. Sollten sich die Parteien nicht einigen, gäbe es keine weiteren Investitionen von Ismaik. Zudem könnte der Investor sich weigern, das alljährliche strukturelle Defizit auszugleichen. Was für 1860 schlimmer wäre als für ihn: Die investierten 18 Millionen Euro könnte Ismaik abschreiben - ärgerlich, aber wohl verschmerzbar für den Unternehmer, dessen Vermögen laut eigener Aussage an der Milliardengrenze kratzt; 1860 dagegen würde im schlimmsten Fall bald wieder die Zahlungsunfähigkeit drohen. Die Finanzprobleme der KGaA lösen, so die Argumentation von Iraki, Ismaik und Schäfer, könnte nur der sportliche Aufstieg. Für den wären aber weitere Investitionen - und neue Schulden - unabdingbar. Die Vereinsgremien sehen das ähnlich - wollen aber, dass Ismaik bei allen Investitionen das alleinige Risiko trägt. Ausnahmsweise einig sind sich beide Seiten bei einem anderen Punkt: Solange man keine Einigung findet beim Geschäftsbesorgungsvertrag, liegen alle Pläne für künftige Investitionen auf Eis.
Was sagt eigentlich die DFL? Bis auf weiteres: Gar nichts. Der Ligaverband unterhält ausschließlich Geschäftsbeziehungen zur zur KGaA. Was innerhalb des Vereins abläuft, interessiert die DFL kurz gesagt gar nicht. Der Ligaverband würde erst eingreifen, wenn der Investor innerhalb der KGaA Entscheidungen gegen den Willen des Vereins durchsetzen würde. Da sich die Parteien derzeit bei jeder Entscheidung gegenseitig blockieren, kann davon aber nicht die Rede sein. Dass der Geschäftsführungs-Beirat paritätisch besetzt ist, wurde von der DFL genehmigt. Ebenso die Zusammenstellung des KGaA-Aufsichtsrates, bei dem Ismaik durch seinen Vorsitz faktisch die Stimmenmehrheit hat. Schäfer und Iraki wähnen die DFL sogar auf ihrer Seite. Schließlich könne der Ligaverband, so die Argumentation, nicht wollen können, dass die Profiabteilung in finanzielle Turbulenzen gerät.