TSV 1860 gegen Sportfreunde Lotte: Das Grünwalder als Faustpfand der Löwen

München - Weiß-blaue Massen in ganz Giesing. "Mit Leib und Seele" von den "Vorstadtkönigen" aus den Boxen des Grünwalder Stadions. "Auf geht’s Löwen, kämpfen und siegen!"-Sprechchöre aus allen vier Himmelsrichtungen. Eine Choreo und bundesligareifen Support aus der Westkurve. Kult-Stadionsprecher Stefan Schneider, der die Startelf ins Mikro brüllt. Die VIP-Alm am Vereinsgelände. Ein ganzes Viertel im Ausnahmezustand. Und zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder Profifußball von Sechzigs erster Elf auf Giesings Höhen.
Am Samstag um 14 Uhr heißt es für die TSV 1860: Heimpremiere! Die Löwen empfangen am zweiten Spieltag der 3. Liga die Sportfreunde Lotte (im AZ-Liveticker). Nach dem 0:1-Auftakt beim 1. FC Kaiserslautern will Trainer Daniel Bierofka, der mit Ausnahme von Nono Koussou und Aaron Berzel die Bestbesetzung aufbieten kann, dreifach punkten.
Mauersberger will das Grünwalder zur Festung machen
"Wir werden alles in die Waagschale werfen und wollen gewinnen", erklärt Bierofka. Er weiß, auf wen er sich bei seinem Heimsieg-Vorhaben verlassen kann: "Unsere Fans waren in der Regionalliga ein Riesen-Faustpfand. Sie werden uns auch jetzt wieder nach vorne peitschen. Wenn wir Leidenschaft und Kampf bis zum Schluss abrufen, dann akzeptieren sie es auch, wenn es nicht zum gewünschten Ergebnis reicht", so der 39-Jährige in Erwartung einer "Top-Stimmung" des mit 15.000 Zuschauern voraussichtlich ausverkauften Sechzgerstadions.
Ziel ist es, wie auch Routinier Jan Mauersberger im AZ-Interview am Freitag erklärte: "Den Fans einen Sieg schenken und das Grünwalder wieder zu einer Festung machen."
Die Herausforderung? Umso größer, so Bierofka: "Wir wollen mit den Zuschauern im Rücken unsere Heimspiele gewinnen, auch wenn die Qualität der Mannschaften in der 3. Liga eine andere ist." Sechzig ist ein Neuling, Lotte, das sich am ersten Spieltag vom SV Meppen mit 0:0 getrennt hat, dagegen ein "etablierter Drittligist, der schon mehrmals im DFB-Pokal auf sich aufmerksam gemacht hat". Unter anderem in Sechzigs Abstiegs-Saison gegenschwache Zweitliga-Löwen um Ex-Coach Vitor Pereira (0:2). Warum Fußball nirgends geiler ist als im Grünwalder Stadion
Für Bierofka brauche es in diesem Duell daher "keinen Favoriten", vielmehr nutzte Sechzigs Coach aufgrund der traditionell hohen Erwartungshaltung die Gelegenheit für einen Appell. "Wir müssen alle mal wieder runterkommen – die Fans, im Verein, auch außenrum. Wir sind ein Aufsteiger, ich betone das Wort nochmal: Auf-stei-ger! Wir werden noch etwas brauchen, um uns in der Liga zurechtzufinden." Man könne nicht erwarten, "dass wir in der Liga durchmarschieren".
Bierofka bremst die Euphorie
Zwischen 1992 und 1994 war dem TSV der Durchmarsch aus der Bayernliga in die Bundesliga geglückt, und auch jetzt hatten fünf Drittliga-Trainer 1860 in einer Umfrage als Aufstiegsfavorit auf dem Schirm – Bierofka sieht das anders: Sechzig sei "aus dem Nichts gekommen" und wolle "die Prozesse Schritt für Schritt vorantreiben", damit man "irgendwann über andere Ziele sprechen" könne. Seine Ansage: "Alle mal die Füße still halten, den Ball flach halten und nicht so viel reden."
Heiß hergehen wird’s nicht nur wegen der Fans, auch die Temperaturen werden jenseits der 30 Grad liegen. Bierofka zur Marschroute: "Wir müssen versuchen, dem Gegner den Schneid abzukaufen und bei der Hitze über den Punkt gehen. Irgendwann wird die Wand kommen und die Spieler denken: ‚Jetzt geht nix mehr.‘ Da müssen sie sich durchbeißen." Ein Moment, in dem es – wie beim späten 0:1 auf dem Betzenberg – auch auf die Kulisse ankommen könnte. Bei Sechzigs Heim-Auftakt aber zugunsten des demütigen Liga-Neulings.