TSV 1860: Experte erklärt - Darum wird das Mölders-Aus das Team noch lange beschäftigen

München - Wohl kaum ein Spiel des TSV 1860 wurde in dieser Hinrunde mit derartiger Spannung erwartet wie das am vergangenen Samstag - dabei konnte Gegner Borussia Dortmund II mit der Größe und Attraktivität anderer Traditionsklubs in der 3. Liga nur indirekt mithalten. Viel mehr lautete die Frage: Wie wird sich die Mannschaft in Spiel eins nach der Demission von Sascha Mölders, dem größten Beben seit der Trennung von Daniel Bierofka vor über zwei Jahren, präsentieren?
Ziemlich gut, lautete die Antwort. Nach wackeligem Beginn fanden die Mölders-losen Löwen immer besser ins Spiel und setzten sich am Ende, auch dank einer geschlossenen und leidenschaftlichen Mannschaftsleistung, verdient mit 2:0 durch. Dass der eigentliche Kapitän fehlte und auch nicht mehr zurückkommen wird - am Sonntag wurde bekannt, dass sein Vertrag aufgelöst wird -, schien die Mannschaft keineswegs zu hemmen. Viel mehr wirkte das Team wie von einer 90 Kilo schweren Last befreit, wie sich nicht zuletzt bei den euphorischen Torjubeln zeigte.

Schwere Vorwürfe gegen Mölders: Ex-Kapitän hält sich bedeckt
In den Tagen zuvor war viel diskutiert und kolportiert worden über die Rolle des Sascha Mölders. Die Informationen, die aus dem Klub und seinem Umfeld durchsickerten, zeichnen das Bild eines Alleinherrschers, der das Klima innerhalb der Mannschaft zunehmend vergiftete. Am Ende sprach sich der Großteil des Teams gegen seinen Kapitän aus. Der Kapitän selbst äußerte sich abgesehen von einem Post auf Social Media bislang noch nicht zu den schweren Vorwürfen gegen seine Person.
Stellt sich die Frage: Wie wirkt sich eine derart dominante Führungspersönlichkeit auf das Klima innerhalb der Kabine aus? Und wie steht es nun um die Hierarchie nach dem Abgang des alles überragenden Alpha-Löwen? Die AZ hat bei einem Experten nachgefragt.
Mölders' Sonderstatus vergiftete das Mannschaftsklima
"Man sagt: 'Ein fauler Apfel steckt den ganzen Korb an.' Genau dasselbe gilt auch für uns Menschen", sagt Mentalcoach Matthias Herzog: "Wenn sich einer daneben benimmt und für sich auch noch einen Sonderstatus beansprucht, dann ist das für eine Mannschaft grundsätzlich erst einmal negativ." Genau das war augenscheinlich bei Mölders der Fall.

Problematisch werde es vor allem dann, wenn ein solcher Charakter - bei allen Verdiensten für Klub und Mannschaft - Sonderrechte genieße. "Die Gefahr dabei ist, dass man über bestimmte Dinge hinwegsieht, für die jüngere Spieler gleich zurechtgewiesen oder bestraft werden", meint Herzog, der unter anderem mit dem Handball-Topklub SG Flensburg-Handewitt und der Damenmannschaft des VfL Wolfsburg - einem der besten Teams im europäischen Frauenfußball - zusammengearbeitet hat.
TSV 1860: Vor allem die jungen Spieler wirkten verunsichert
Wenn ein solcher Charakter einen Sonderstatus genieße, diesen aber wie im Falle Mölders nicht durch seine Leistungen auf dem Platz rechtfertigen kann, hat das laut Herzog unmittelbare Auswirkungen auf das gesamte Team. "Ist ein solcher Spieler dann im Training nicht voll auf der Höhe und sich Disziplinlosigkeiten leistet, dann geht das bewusst und unbewusst komplett auf die Motivation der Mitspieler", erklärt der Mentalcoach.
Auch der Umgangston von Mölders, an der Grünwalder Straße ist gar von Beleidigungen und Drohungen die Rede, soll dem Vernehmen nach teils völlig unangemessen gewesen sein. Dabei machte der 36-Jährige auch nicht vor jüngeren Spielern Halt, was sich teilweise auch in deren Leistung auf dem Platz widerspiegelte. So wirkte etwa Semi Belkahia, in der Rückrunde der Vorsaison noch eine wichtige Stütze, in den vergangenen Wochen teils enorm verunsichert. Dabei ist der junge Innenverteidiger nur ein Beispiel von mehreren.
Nach Mölders-Abgang: Hierarchie bei 1860 muss sich neu entwickeln
"Jüngere Spieler lassen sich natürlich leichter verunsichern. Wenn sie von einem Spieler, der 20 Jahre mehr Erfahrung auf dem Buckel hat, runtergemacht werden, dann wirkt sich das noch stärker auf das Selbstbewusstsein aus", erklärt Herzog: "Im schlimmsten Fall gehen sie am Ende in ein Spiel mit der Angst, dass sie auf dem Platz nochmal eine Ansage bekommen. Das wirkt sich auf die Psyche und schlussendlich auch auf die Leistung aus."
Beim 2:0-Sieg in Dortmund zeigte die Mannschaft eine erste Reaktion und spielte wie befreit auf. Von Dauer muss das allerdings nicht zwingend sein, schließlich muss sich die Löwen-Hierarchie nach dem Mölders-Abgang erst wieder neu festigen. Ein extrem wichtiger Prozess, bei dem insbesondere die Führungsspieler-Achse um Abwehrchef Stephan Salger, Spielmacher Richard Neudecker und Neu-Kapitän Stefan Lex gefordert sein wird.

Leistungssprung oder Machtvakuum: Wie reagiert das Team des TSV 1860?
Laut Mentalcoach Herzog kann sich der Abgang eines dominanten Charakters wie Mölders auf zwei komplett gegensätzliche Weisen auf die Leistung der Mannschaft auswirken. "Es kann sein, dass sich die Verantwortung nun besser verteilt, sich nun jeder in der Pflicht sieht und die Mannschaft stärker zusammenwächst. Dass sich die Mannschaft denkt: 'Jetzt erst recht. Der Typ, der gemeint hat, wir können es nicht, ist weg und jetzt zeigen wir ihm, was wir wirklich drauf haben‘", erklärt der Mentalcoach. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Mannschaft grundsätzlich gut miteinander auskomme.
Ist dies nicht der Fall, drohe in der Kabine ein Machtvakuum, "in dem sich dann plötzlich niemand mehr verantwortlich fühlt, die Leistung noch mehr den Bach runtergeht und man sich – im schlimmsten Falle auch grüppchenweise – gegenseitig Vorwürfe macht."
In welche Richtung es bei den Löwen geht, wird die Zeit zeigen. Spiel eins nach Mölders sollte Fans und Verantwortlichen Mut machen, am Montag gilt es den positiven Eindruck bei den Würzburger Kickers zu bestätigen. Danach verabschiedet sich die Mannschaft in die Winterpause. Genug Zeit, um das Geschehene aufzuarbeiten. Beschäftigen wird die Löwen die Causa Mölders ohnehin noch länger.