TSV 1860: Experte - Daniel Bierofka lässt wie Jürgen Klopp spielen

München - Es ist forsch, unnachgiebig, riskant. Das Gegenpressing der Löwen in der Dritten Liga, das die Taktik des Aufsteigers bestimmt. Zu forsch? Zu riskant?
Zumindest fingen sich die Sechzger zuletzt beim 2:2 bei Hansa Rostock nach der Pause zwei schnelle Gegentore, die das Spielgeschehen völlig drehten. (Lesen Sie auch: Hiller übt Selbstkritik - Bierofka lobt ihn dafür)
Mutmaßlich ein Grund: die kraftraubende Spielweise der Löwen. "Die beiden schnellen Gegentore dürfen uns nicht passieren", sagte Top-Vorbereiter Phillipp Steinhart nach der Partie bei Telekomsport und mahnte: "Wir müssen unsere Kräfte besser einteilen, haben eine sehr intensive Spielweise, müssen auch mal auf den Ball stehen."
"Stärke von 1860 ist ihre Schwäche"
Es war wohl ein vorsichtiger Hinweis darauf, wie kräftezehrend die taktischen Vorgaben sind. Das hatte auch Hansa-Coach Pavel Dotchev erkannt: "Die größte Stärke von 1860 ist auch ihre Schwäche – ihr Umschaltspiel." Dabei wurde Trainer Daniel Bierofka im Giesinger Umfeld hinreichend für den weitaus attraktiveren Spielstil als in der vergangenen Saison gelobt.
Doch ist diese Taktik schlicht zu gefährlich? Und warum setzt der TSV 1860 so vehement darauf?

"Das folgt dem Klopp‘schen Mantra, dass das Gegenpressing der beste Spielmacher ist, wenn man keinen Spielmacher hat", erklärt Constantin Eckner vom Fachportal spielverlagerung.de im Gespräch mit der AZ und verweist auf den einstigen Trainer von Borussia Dortmund sowie aktuellen Coach des FC Liverpool, Jürgen Klopp. Dieser hatte den Stil des kombinierten Pressing und Gegenpressing einst geprägt.
"Sechzig fehlt Dichte an Ballbesitzspielern"
Die Parallele zu Sechzig: "Was Bierofka statt des klassischen Ballbesitzfußballs versucht, ist, durch aggressives Pressing nach Ballverlusten den kurzen Weg zum Tor zu suchen. Es ist teilweise einfacher, einen langen Ball nach vorne zu schlagen und dann auf den zweiten Ball zu gehen, als den Umweg über einen langen Spielaufbau zu gehen" sagt Eckner, der die Taktiken vieler Klubs analysiert und auch die Sechzger intensiv beobachtet.
Ein möglicher Beweggrund Bierofkas: "Im Kader von Sechzig fehlt die Dichte an Ballbesitzspielern. Man hat aber viele Spieler, die recht athletisch sind und daher im Gegenpressing besser zur Geltung kommen", erklärt Eckner. Doch weshalb sind die Löwen so anfällig für Gegentore?
"Sechzig geht ein Risiko ein"
"Das Problem bei Sechzig ist, dass sie teilweise mit acht Feldspielern nach vorne gehen und damit ein Risiko eingehen. Die Restverteidigung, also die Spieler, die noch hinten stehen und absichern, ist dadurch sehr ausgedünnt", meint Eckner.
Wenn man vorne den Ball nicht gleich gewinne, werde man so sehr schnell ausgekontert, benennt er das Risiko: "Wenn das Gegenpressing allerdings klappt, dann hat man den Umschaltmoment und es ist durch den kurzen Weg zum Tor einfacher, einen Treffer zu erzielen."
Wirklich innovativ sei die Taktik der Giesinger dabei nicht mal, erklärt Eckner: "Insgesamt ist das Gegenpressing der Stil der Zweiten und der Dritten Liga, wo im Vergleich zur Bundesliga sehr kampfbetont gespielt und wenig abgepfiffen wird." Effektiv war die Spielweise bisher allemal. Nicht auszudenken, wenn der TSV 1860 jetzt noch das Risiko minimiert…
Lesen Sie hier: AZ-Kommentar - Adriano Grimaldi ist bei Sechzig unersetzlich!