Tradition mit Zukunft?

Gladbach und 1860 haben vereint eine große Vergangenheit. Doch aufsteigen wird allenfalls die Borussia. Weil die Löwen zu große Versäumnisse haben.
MÜNCHEN Es war einmal. Die Meister-Löwen von 1966 hier, die Fohlen-Elf der 70er Jahre dort. Tradition über Tradition, die am Sonntag (14 Uhr, live bei Premiere) aufeinandertrifft. Borussia Mönchengladbach und den TSV 1860 „prägen eine bundesweite Akzeptanz“, wie Löwen-Geschäftsführer Stefan Ziffzer weiß: „Nur hat Gladbach außerhalb des Platzes einen ruhigeren Kurs gefahren. 1860 hatte die schwierigeren Themen mit Stadion oder Bestechungsaffäre.“ Also eine Tradition mit Zukunft? Während Gladbach kurz vor dem Aufstieg steht, rangiert Sechzig im Niemandsland der Tabelle. Der AZ-Vergleich:
Traditionen:
Die Liste mit Netzer, Vogts, Bonhof, Heynckes ist in Gladbach lang, die Erfahrung aber unerwünscht. „Es ist ein sehr entspanntes Arbeiten“, sagt Manager Christan Ziege: „Bei uns leidet auch niemand an einer Profilneurose.“ Auch die Löwen verzichten auf Alt-Stars in den Gremien, wobei Vize Karsten Wettberg sagt: „Wir sind auf einem guten Weg, zum Beispiel hat unsere Traditionsmannschaft inzwischen ihren festen Platz im Vip-Bereich.“
Trainer:
Die große Show liegt beiden nicht. Jos Luhukay stieg mit Gladbach ab – und bald wieder auf. „Er ist bescheiden und ein unglaublich akribischer Coach“, sagt Ziege. So wird auch Marco Kurz charakterisiert. Ziffzer: „Unser Trainer ist idealtypisch für das, was unsere Mannschaft braucht.“
Mannschaft:
Das Gladbach Gerüst steht: Rund um Nationalspieler Oliver Neuville, Ex-Löwe Sascha Rösler, Alexander Voigt und Soumaila Coulibaly. Ziege: „Alles Jungs, die auch charakterlich zusammenpassen.“ Ziffzer weiß: „Ein Talent wie Marko Marin wird behutsam aufgebaut. Bei uns müssen gleich vier oder fünf Junge die Last der Verantwortung tragen.“
Transfers:
Gladbach und das gute Händchen: „Von den elf Neuzugängen haben eigentlich alle eingeschlagen“, sagt Ziege: Friend (15 Treffer), Paauwe, Brouwers, Ndjeng. Bei 1860 entpuppten sich Schroth, Pagenburg, Kucukovic als Enttäuschung, einzig Daniel Bierofka wusste zu überzeugen. Wettberg: „Wir haben versucht, den Weg mit Talenten zu gehen, die bislang den Durchbruch noch nicht geschafft hatten. Gladbach hat mit wesentlich mehr Geld hervorragend eingekauft.“
Etat:
„Gladbach ist vom Etat her der FC Bayern der Zweiten Liga“, weiß Bierofka. Die Borussen sind mit 40 Millionen Euro absoluter Liga-Krösus, haben im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordgewinn von 6,8 Millionen vermeldet. Bei 1860 liegt der Gesamtetat für die Zweite Liga gerade mal bei 6,3 Millionen Euro. Ziffzer: „Die finanziellen Unterschiede sind erheblich.“
Vermarktung:
Gladbach vermarktet sich selbst – mit einigen Vorteilen. Zwar fallen mehr Personalkosten an, dafür bleibt das erwirtschaftete Geld im Haus. Bei 1860 geht’s zum Teil an die Agentur IMG. „Wir brauchen nicht lange zu diskutieren“, sagt Wettberg, „IMG hat Sechzig schon sehr geholfen, vielleicht auch schon gerettet.“ Die Agentur griff dem Verein finanziell unter die Arme. Geld, das aber zurückbezahlt werden muss.
Merchandising:
Auf die forsche Fan-Kritik an der Zuverlässigkeit von 1860-Ausrüster Kappa hat der Verein reagiert und Erima als neuen Trikotpartner gewonnen. Mit dem soll es dieses Szenario nicht mehr geben: In der letzten Bilanz hatte der Verein gar ein Minus von 50000 Euro im Bereich Merchandising ausgewiesen. Und Gladbach? Der Jahresumsatz des Merchandisings von 6,5 Millionen Euro bringt „einen deutlichen Gewinn“ (Gladbach-Sprecher Markus Aretz).
Stadion:
Beide haben mit der Vergangenheit gebrochen: Die Löwen zogen in die Allianz Arena, Gladbach 2004 in den Borussia-Park (54 067). Der Park kam an, die Arena nicht. Ziffer: „Die Wirtschaftlichkeit des Stadions in Gladbach ist deutlich besser.“ Immerhin: Das Rückkaufsrecht der Löwen an 50 Prozent der Stadion GmbH wurde gestern aufgehoben. 1860 ist damit von Verpflichtungen entlastet, bleibt aber Mieter bis 2025. Die Miete: eine Million jährlich.
thk, chp