Stoffers, der Kultivator
Der 1860-Geschäftsführer arbeitet daran, den Löwen wieder ein eigenständiges Profil zu geben: „Wir wollen raus aus der Scheinwelt mit Glanz und Glamour, zurück zu den Wurzeln des Vereins.“
MÜNCHEN Lange Wege mag Manfred Stoffers nicht. So ist es kein Wunder, dass der Löwen-Geschäftsführer nach sieben Jahren seine Wahlheimat Freilassing verlassen hat. Er lebt nun in einer kleinen Wohnung in Sendling. „Aber Gäste kann ich noch nicht einladen“, sagt der 1860-Geschäftsführer zur AZ. „Da stehen noch Umzugskisten, aber die wichtigsten Dinge wie Kaffeemaschine und Mikrowelle funktionieren schon.“
Doch derartige Kleinigkeiten beschäftigen ihn ohnehin nur am Rand. Denn er hat ein großes Ziel: „1860 ist Kult – und diese Lebenseinstellung wollen wir wieder freilegen.“ Stoffers, der Löwen-Kultivator. Ausgerechnet er, der ehemalige Festina-Manager, der stets von sich selbst behauptet, wenig Ahnung vom Fußball zu haben, will 1860 wieder zum Kult-Klub formen.
Skepsis schlug ihm entgegen, als er vor zehn Monaten beim Zweitligisten antrat. „Ich bin immer noch kein Fußball-Experte“, gibt er jetzt zu, „aber das ändert sich, denn jeden Tag bekomme ich einige Pflicht-Lektionen verpasst.“ Für den 56-Jährigen ist der TSV 1860 eine Herausforderung. „Für mich ist dieser Job kein Ruhestandsposten. Deswegen habe ich auch keinen Zeitvertrag und eine Kündigungsfrist von 14 Tagen. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem es Bessere für 1860 gibt.“ Bis dahin will er es machen „wie beim Rubik-Würfel: Ich höre erst auf, wenn alle Farben passen“. Wie Stoffers die Löwen wieder kultig machen will:
Abgrenzung vom FC Bayern
„Wir sind keine Kopie! Wir sind das Original, der Klub für München und Münchner“, sagt er. „Ich hatte das Gefühl, dass es daran die letzten Jahre gemangelt hat. Der Verein hat allzu oft auf dem eigenen Selbstwertgefühl herumgetrampelt. Das ist vorbei.“ Dazu passt: Stoffers scheut keine Konfrontation mit den Bayern-Bossen. Wichtig aber ist ihm: „Ich bin nie in die Offensive gegangen, habe immer nur auf Uli Hoeneß reagiert, als er unseren Klub schlecht geredet hat. Das können wir uns nicht gefallen lassen.“
Die neue Besonnenheit
Stoffers will nicht polternd auftreten. Den Gerichtstermin im Catering-Streit mit den Bayern am 3. Februar würde er am liebsten vermeiden. „Ich habe keine Lust auf einen Schauprozess“, sagt er, „wir wollen uns nicht vor Gericht streiten. Am besten wäre es, wenn wir uns vor Prozessbeginn einigen könnten.“ Besonnenheit, die ankommt. Allerdings hatte er selbst den Streit losgetreten. Die Idee, pro Saison rund eine Million Euro weniger zu zahlen, stammt auch von ihm.
Die neue Schlagfertigkeit
Stoffers’ Sprüche sind oft wirklich lustig. Auch sein Vorwort fürs Stadionmagazin – zum Beispiel der „Chili-Fußball“ oder die Frosch-Parabel – ist lesenswert. Hobby-Philosoph Stoffers („Ich habe früher auch Bücher geschrieben“) sagt: „Ich setze Sprache genussvoll ein. Jedes Vorwort hat eine Botschaft, die ich unterhaltsam verpacke. Das ist die größte Chance wahrgenommen zu werden.“
Die neue Offenheit
Stoffers will, dass sein Klub Lebensfreude transportiert. Dies soll man merken, wenn man die Geschäftsstelle betritt. Deshalb ist ihm ein gutes Arbeitsklima wichtig: „Die Zeit der verschlossenen Türen ist vorbei. Jetzt wird wieder gelacht – und das Wichtigste: gegenseitiger Respekt wird ganz groß geschrieben. Egal, ob Greenkeeper, Waschfrau oder Cheftrainer – alle sind wichtig.“
Die neue Bodenständigkeit
Dass das Team von Auswärtsspielen oftmals nicht mehr mit dem Flieger zurück reist, sei ein „deutliches Signal“. Stoffers: „Wir wollen raus aus der Scheinwelt mit Glanz und Glamour, zurück zu den Wurzeln des Vereins. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein Familienbetrieb sind.“ Bei den Sponsoren kommt das offenbar gut an: Derzeit wird über einen neuen Vertrag mit Premium-Partner Hacker-Pschorr verhandelt.
Oliver Griss