Stoffers: Darum verklagen wir den FC Bayern

Der Geschäftsführer des TSV 1860 zweifelt die Rechtmäßigkeit des Verkaufs der Stadionanteile an die Roten an. Er sagt: „Wir führen diesen Prozess aus wirtschaftlicher Notwendigkeit!“
MÜNCHEN Es ist ein Einfrontenkrieg. Die Bosse des FC Bayern halten sich bedeckt. „Wir konzentrieren uns auf die Partie am Samstag in Wolfsburg“, sagte Mediendirektor Markus Hörwick auf AZ-Anfrage, „wir wollen diesem Theater keine Bedeutung beimessen.“ Der Rekordmeister überlässt die Regie im Theaterstück „Der Löwen-Aufstand“ somit Manfred Stoffers, dem Geschäftsführer des TSV 1860. Denn es war seine Idee, die Klage des Zweitligisten gegen den Rekordmeister anzustrengen, den Versuch zu starten, den Verkauf der Anteile an der Allianz Arena an die Roten im Frühjahr 2006 vor Gericht anzufechten (AZ berichtete).
Zwei Prozesse, ein Stadion, keine Kommunikation – das Verhältnis der Lokalrivalen ist auf dem Nullpunkt angekommen. Wie also kommt 1860, dem die Millionen aus der Bayern-Kasse vor knapp vier Jahren Lizenz und Überleben sicherten, dazu, den Retter vor Gericht zu zerren und die Rechtmäßigkeit des Verkaufs überprüfen zu lassen?
Die blanke Existenz, sagt er, sei wichtiger als Höflichkeit
Stoffers weiß, dass sein Vorgehen undankbar wirkt. In der AZ begründet er, warum 1860 dennoch klagt. „Wir führen diesen Prozess aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus. Wenn Sie gegen den schleichenden Tod kämpfen, dann spielt von anderen erwartete Rücksichtnahme keine Rolle. Für uns geht es ums Überleben! Ich kann nicht in einer unnötigen Demuts- und Dankbarkeitshaltung absaufen“, erklärt er. „Wenn es um Existenzfragen geht, gibt es zwar immer noch die Moral, aber nicht mehr übertriebene Höflichkeit. Wir mussten die Stadionanteile damals, aufgrund unserer finanziellen Notlage, zu einem unangemessen niedrigen Preis verkaufen."
Klingt für den Laien nach: Angebot und Nachfrage regeln den Preis – und nicht nach einem Fall fürs Gericht. Stoffers selbst sagt: „Man könnte die Meinung vertreten: Man kriegt nicht immer den objektiven Wert, sondern das, was der Markt hergibt.“ Der Löwen-Boss jedoch glaubt: „Ich würde niemals Anteile so deutlich unter Wert verkaufen, wenn ich nicht in einer Notlage wäre. Ich bin überzeugt, dass damals nicht über den Preis verhandelt wurde, sondern dass geschaut wurde: Wie viel braucht ihr denn zum Überleben – und genau das bekommt ihr für die Anteile." Also elf Millionen Euro. Oder wie 1860-Anwalt Michael Priebe vor Gericht sagte: „Unsere Partei wurde über den Tisch gezogen.“
Doch ist es nicht dreist, dagegen zu klagen, nicht clever genug gewesen zu sein? „Wenn man über den Tisch gezogen wird, ist das kein Vorwurf an denjenigen, der gezogen wird, sondern an denjenigen, der zieht“, argumentiert Stoffers, „egal, wie liberal es zugeht: Am Ende muss ein Vertrag den guten Sitten entsprechen.“ Und jener vom April 2006 sei sittenwidrig.
Natürlich kommt das bei Löwen-Fans an. Stoffers gilt als der erste, der es wagt, den Roten Paroli zu bieten. Seinem Vorgänger Stefan Ziffzer, der 2006 den Anteilsverkauf aushandelte, wurde stets Nähe zu den Bayern vorgeworfen. Ex-Löwen-Chef Karl-Heinz Wildmoser, der beim Arena-Neubau mit dem Lokalrivalen kuschelte, gilt vielen als Verräter der blauen Identität.
"Am Ende muss ein Vertrag den guten Sitten entsprechen"
Stoffers ist die gemeinsame Stadion-Vergangenheit – vom Arena-Skandal ganz zu schweigen – egal. Dass die einst von Bayern geretteten Löwen undankbar erscheinen? „Natürlich hat 1860 diesem Geld zu verdanken, dass damals die Insolvenz vermieden werden konnte“, sagt Stoffers, „das muss man positiv werten. Allerdings war das nicht Ausdruck von selbstlos handelnden Samaritern, sondern es wurde auf Seiten des FC Bayern auch wirtschaftlicher Nutzen daraus gezogen. Der FCB hat schließlich so Millionenforderungen gerettet, Arena-Anteile zum Schnäpchenpreise bekommen und sich so einen Langzeitmieter gesichert. Es gibt also keinen Anlass, in Dankbarkeit zu erstarren. Wenn ich kurz vorm Koma bin, werde ich doch mit meinem Mietnachbarn keine Party feiern, nur weil ich hoffe, dass der nette Nachbar dann bei mir die Grabpflege übernimmt."
Stoffers Idee war es auch, den Catering-Streit – 1860 zahlt seit August 2009 pro Heimspiel 50000 Euro weniger als dies der Vertrag mit der Allianz Arena GmbH vorsieht – vom Zaun zu brechen. Er wusste, dass die Stadion GmbH, eine hundertprozentige Tochter des FC Bayern, dagegen klagen würde.
Seit August habe er erfolglos versucht, mit den Bayern-Bossen über beide Streitfragen zu reden. Weil nun beim ersten Termin vor dem Landgericht die Richterin in Sachen Catering die 1860-Sichtweise – die Stadion GmbH nutze ein Monopol aus – als „nicht so abwegig“ bezeichnete (AZ berichtete), wähnt sich Stoffers „auf dem richtigen Weg“. Dem Weg der Konfrontation. Justitia, bitte übernehmen!
Ob er nun die Stadionanteile zurück will? Geld? Ob er Bayern im Catering-Streit Druck machen will? „Nach der Feststellung wird man sehen, was man tut“, sagt er, „uns geht es zunächst darum, rechtlich zu klären: Ist der damals geschlossene Anteilskaufvertrag rechtmäßig oder nicht?“
Und dem FC Bayern geht es um das Spiel in Wolfsburg.
Jochen Schlosser