Stefan Schneider im AZ-Interview: "Ich gehe immer noch nicht zur Domina"

AZ-Interview mit Stefan Schneider: Der 59-Jährige war von 1993 bis zum März dieses Jahres Stadionsprecher der Sechzger. Beim EHC Red Bull ist er weiterhin der Mann für die Ansagen.
AZ: Herr Schneider, Sie haben mal gesagt: "Manche gehen zur Domina, ich gehe zu 1860." Nun ja, wohin gehen Sie denn, seit Sie Ihr Amt als Stadionsprecher niedergelegt haben?
STEFAN SCHNEIDER: Eine berechtigte Frage. Ich gehe selbstverständlich immer noch nicht zur Domina (lacht), das war damals ja nur ein Vergleich über leidensfähige Löwen, der es ganz gut getroffen hat. Und ich bin und bleibe ja ein Löwe: Ich schaue und verfolge ganz genau, was rund um den TSV passiert. Ich lese in der AZ, was an der Grünwalder Straße los ist, verfolge alle möglichen Nachrichten aus dem Internet. Eines ist ja klar: Er wird immer meine große Liebe bleiben.
Gefühlt ist er immer noch Stadionsprecher
Ein bisserl nachbohren müssen wir aber schon: Ist die einstige Stimme der Löwen schon auf Entzug?
Nein, das ist nicht der Fall. Man muss schon wissen, wenn man nach fast 30 Jahren von der Bühne geht: Den richtigen Moment gibt es nicht. Ich hatte ja schon länger im Hinterkopf, dass ich es nicht mehr ewig lange mache. Fast 30 Jahre lang hab ich kein Spiel verpasst, war nicht krank oder hatte eine andere Ausrede. Heute sagen mir die Leute: Du bist und bleibst unser Stadionsprecher, sie mögen mich nach wie vor und machen Selfies mit mir, wenn sie mich auf der Straße treffen. Gefühlt bin ich immer noch Stadionsprecher. Was gibt es denn Schöneres?
Im Grünwalder Stadion hat man Sie seit Ihrem Rückzug allerdings nicht mehr gesehen. Wieso eigentlich nicht?
Ich habe als Dauerkartenbesitzera zwar ein Anrecht auf eine Karte. Bisher bin ich in der Verlosung allerdings noch nicht dran gekommen. Ich möchte da auch keine Extrawurst. Und selbst, wenn ich demnächst drankommen sollte, werde ich die Karte weitergeben. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in der Moderation und hat einen einfachen Grund: Ich will erst kommen, wenn sich der Basti (Stadionsprecher Sebastian Schäch, d. Red.) eingegrooved hat. Ich werde den neuen Kollegen doch nicht nervös machen, weil der Schneider da plötzlich auf der Tribüne hockt. Irgendwann im Oktober oder November freue ich mich dann auf ein Stadionbier.
Kompliment an den Nachfolger
Faire Geste gegenüber Ihrem Nachfolger. Können Sie sich denn dann überhaupt schon ein Urteil erlauben?
Ja, das kann ich, denn die Leute schicken mir unzählige Videos von Basti in Action. Und ich muss sagen, nachdem ich ihn ja persönlich kenne, schätze und ihn empfohlen habe: Er macht seine Sache sehr gut! Klar war er anfangs vielleicht ein bisserl nervös, aber das ist ja ganz normal. Glauben Sie, bei mir war es anders? Es ist ja nicht nur so dahingesagt: Wenn da einer 30 Jahre lang gewirkt hat, ist es nicht lustig, daran anzuknüpfen. Ganz wichtig ist, wie es bei mir auch war: Man muss ihm an der Stimme anmerken, dass ihm eine Niederlage stinkt. Ich habe da früher kaum ein Wort herausbekommen, weil es mich so genervt hat.

Mit einem 1:0-Sieg gegen Würzburg hatte Schäch einen gelungenen Einstand, die Löwen haben auch Zweitligist Darmstadt 98 geschlagen und sind gegen Türkgücü einer Niederlage in Unterzahl entgangen. Die Schäch-Serie. . .
Liebend gerne darf der Basti damit weitermachen! Für ihn selbst gilt natürlich, dass er sich vor wenigen tausend Fans zum Start sicher leichter getan hat. Aber ich wünsche ihm und Sechzig neben vielen Löwen-Siegen bald eine viel größere Kulisse - es gibt nichts Geileres als 15.000 im Grünwalder...
Was sagen Sie zur Umfrage, dass das Grünwalder, Ihr Wohnzimmer, zu den Top 10 der beliebtesten Stadien zählt?
Absolut verdient und berechtigt! Ich habe ja mal gesagt, dass ich kein Stadionfanatiker bin und in jede Spielstätte gehe, in der Sechzig spielt. Dazu stehe ich nach wie vor und ich finde, das sollte jeder Löwenfan tun. Natürlich tut das Grünwalder finanziell weh, Kommerz und Fußball-Romantik lassen sich nun einmal schlecht miteinander verbinden. Aber an dem Tag, als Sechzig in die Vierte Liga abgestürzt ist, habe ich gemerkt: Wir sind hier zuhause, auf dem Giesinger Berg. Daher hat auch der Spruch besonders gut gepasst: "Jemand zuhause?"
Die Arbeit geht Schneider nicht aus
Damit sind wir bei Ihrem eigenen Wohnzimmer angelangt, sowie bei neu gewonnenen Freiheiten. Was treiben Sie derzeit - so ganz ohne wöchentliches Löwen-Spiel?
Die Arbeit geht mir nicht aus: Ich betreibe ja eine Werbeagentur und bin noch Stadionsprecher beim EHC. Ein bissl kürzer treten ist schon nicht schlecht, wenn man sein ganzes Leben auf drei, manchmal vier Hochzeiten getanzt hat. Bei Sechzig bin ich ja auch nicht komplett raus: Ich habe das große Glück, mit Michael Köllner sehr gut befreundet zu sein, dem besten Trainer der Löwen seit langer Zeit und dem Besten, was 1860 passieren konnte. Wir gehen öfter miteinander essen und tauschen uns über den Löwen aus.
Dann sind Sie also ganz nahe dran an dem Mann, der den TSV wieder in die Zweite Liga führen soll. Was trauen Sie ihm in der Saison zu?
Viel, sehr viel. Die Jungs haben da noch was vor, auch wenn sie sich gegen Türkgücü schwergetan haben. Aber: Vier Mal Aluminium ergibt auch ein Tor. Es ist im Fußball ja nicht verboten, Glück zu haben. Und kämpfen können wir. Spielerisch wäre es ja schlimm, wenn man sein ganzes Pulver am Anfang verschießen würde. Von daher denke ich: Die Jungs werden das mit ihrem extremen Teamgeist und diesem tollen Trainer schon richten. Da kann jetzt ruhig Viktoria Berlin an der Spitze herumturnen, so wie Verl letzte Saison. Ein Aufsteiger lässt meist irgendwann nach und wir haben noch viel Steigerungspotenzial. Weihnachten kann es schon ganz anders ausschauen. Wichtig ist, dass Sechzig oben dran bleibt. Jetzt gegen angeschlagene Lauterer wird es nicht leicht, aber Sechzig kann auch auf dem Betze gewinnen. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass nächste Saison die Mannschaftsbusse aus der Zweiten Liga vor dem Wohnzimmer der Löwen parken.