Stefan Schneider: "Ich bin mit Sechzig verheiratet"
Am Samstag wird Stefan Schneider 60 minus 10. Im großen Geburtstagsinterview erinnert er sich an wilde Tage in Schwabing, spricht über Frisurentrends und den Löwenblues.
AZ: Servus, Herr Schneider, erst mal alles Gute zum Geburtstag am Ostersamstag. 50 Jahre Stefan Schneider, 50 Jahre in München. Was macht diese Stadt für Sie aus?
STEFAN SCHNEIDER: Alles. Ich liebe sie, ich brauche sie, das sagt doch alles. Ich wollte nie weg, und ich konnte auch nie weg. Selbst als ich mal ein halbes Jahr Radio in Nürnberg gemacht habe, habe ich nicht einmal da geschlafen. Vorher war ich fürs Radio vier Jahre in Bozen in Italien, da habe ich auch höchstens 20 Mal übernachtet.
Moment mal, ging’s dem Sender so gut oder wer hat die ganzen Spritkosten bezahlt?
Stimmt, da kam was zusammen, 240 Kilometer waren das einfach. Ich habe das mit zwei Kumpels gemacht, wir waren 20 Jahre alt. Der eine, Fite Blum, verkauft heute Küchengeräte bei HSE24, der andere, Willi Zwingmann, leitet ein Wettbüro. Ich hatte damals eine schwarze Alfa Giulia, jeden Tag sind wir hin- und hergefahren. Aber das Benzin war günstig, eine Mark der Liter. Und es gab Tankgutscheine für Italien! Aber das stimmt schon, dem Sender ging’s prächtig, Radio C, wir haben die Leute begeistert. Es gab ja hier bei uns nur Bayern 1, 2 und 3. Deren Hörer sind eingeschlafen und bei uns gab’s morgens um sechs schon AC/DC, ZZ Top und Led Zeppelin. Halleluja, gab’s bei uns harten Rock! Wir waren ein echter Piratensender, uns konnte man verbotenerweise von Kufstein bis Nürnberg hören, das hat sich rumgesprochen. Auch in München hat man uns schnell als die Piraten gekannt, es war eine heiße Zeit. Und ja, dem Sender ging’s super, wir hatten 1,8 Millionen Hörer, Wahnsinn war das. Trotzdem konnte ich nicht weg aus München.
Wieso eigentlich?
Ganz einfach: Ich wollte nichts verpassen. Wir hatten unsere Läden, das Eastside, das alte P1, das Sugar. Jede Minute, die man nicht in München war, war eine verlorene Minute. Kein Witz: Wir hatten damals wirklich Angst, was zu verpassen, wenn wir nicht in der Stadt waren.
Kein Wunder, dass Sie nie aus Schwabing wegwollten.
Das stimmt nicht ganz, für mich ist Schwabing zwar auch nach den ganzen Jahren immer noch sensationell, im Luitpoldpark bin ich für mein Leben gerne. Oder beim Il Borgo, einem kleinen Italiener in der Georgenstraße. Auch die kleinen Schwabinger Biergärten sind im Sommer ein Traum. Aber ich habe ja auch mal hier in der Gollierstraße im Westend gelebt oder auch mal in Untergiesing, München hat so viele schöne Ecken. Ich genieße das sehr, hier zuhause zu sein, ich bin dankbar, mir geht’s gut. Für mich hat immer die Sonne geschienen, und das soll auch noch viele Jahre so bleiben.
Mit 50 sind Sie ja auch noch ein junger Kerl. Sie kennen die halbe Stadt und die halbe Stadt kennt Sie, wie feiern Sie den Geburtstag?
Ich habe nie groß gefeiert, ich mochte nie beschenkt werden. Ich gehe am Samstag mit meiner Mutter und ein paar Freunden in Schwabing zum Italiener, das reicht mir, das ist gut so. Damit bin ich zufrieden.
Sie wirken ziemlich glücklich, andere haben schier Panik vor dem Fünfzigsten.
Ja, ich hatte so viel Glück im Leben. Andere wollten Pilot werden. Oder Rennfahrer. Ich stand mit vier Jahren in der Küche mit der Banane in der Hand vor dem Kofferradio und habe moderiert – das war’s, was ich machen wollte, und ich habe mir alles erfüllt. Ich bin zufrieden. Ich will nicht über schlechte Dinge nachdenken.
Allein optisch versprühen Sie Lebenslust. Wie lange sehen wir diesen wilden Blondlook noch?
Ich sag’s mal so: Ich habe keinen Jugendwahn. Aber in den 70ern, 80ern und 90ern, da gab’s modisch schon harte Geschichten, und wieso soll ich nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen? Eine gute Freundin von mir ist Modeexpertin, die meinte: „Stefan, du siehst aus wie aus dem letzten Jahrhundert.” Die wollte mich komplett umstylen, aber ich mag meine Pullis, meine 501er Levi’s, meine Turnschuhe, das bin ich, und das bleibt auch so. Ich fühle mich auch wie 50 und mache nicht einen auf jung. Neulich kam ich auf die dumme Idee, bei einem Show-Spiel im Eishockey zwischen Sechzig und dem EHC mitzumachen. Auf einmal kam der Rakic von rechts, der Schindler von links, ich wie ein Sandwich in der Mitte. An der Rippenprellung hatte ich acht Wochen zu kämpfen. Aber ich war selbst schuld, da in meinem Alter noch mitzumachen.
Reden wir über Sechzig.
Das musste ja kommen.
Kein gutes Thema?
Doch, aber diese letzte Woche hat’s nicht gebraucht.
War’s so schlimm?
Ich hab’s überall zu hören bekommen, dieses 0:1 gegen Rostock. Am Viktualienmarkt haben sie aus dem Fischstand gerufen, im Autohaus wurde geschimpft. An der Hofpfisterei hat mich ein alter Mann angefaucht, „Schneider, das wird nix mehr mit den Löwen!”, hat er mir hinterhergerufen. Aber was soll ich sagen? Ich ärgere mich doch am meisten über solche Spiele. Da macht mich Sechzig fertig, dann will ich nix mehr von denen hören. Das geht eine Stunde so, dann noch eine, und in der nächsten Freude ich mich schon wieder aufs nächste Spiele. Das ist halt Sechzig München, das geht immer so weiter. Das macht uns aus.
Da spricht ein stolzer Löwe.
Ich weiß, was diesen Verein ausmacht. Mei, ich will gar nicht jeden Sonntag gewonnen haben, nicht jeden Mai auf dem Marienplatz stehen. Das ist doch langweilig. Bei den Roten sind die Meisterschaften so fad wie Muttis Grießnockerlsuppe, die gibt’s einfach zu oft. Wenn ich einsam bin und dann mal eine bezaubernde Blondine treffe, ja das ist was Besonderes. Aber wenn ich ein stinkreiches Model mit fünf Mädels am Arm bin, kann ich mich doch über nichts mehr Freude. Als Löwen-Fan will ich mich doch manchmal auch zu Tode ärgern. Aber heute habe ich meine Emotionen im Griff. Ich sag’s mal so: Ich weine nicht, wenn Sechzig absteigt, aber ich würde weinen, wenn wir aufsteigen.
Und zuletzt: Nächstes Jahr sind Sie 20 Jahre Stadionsprecher bei Sechzig. Wie geht’s mit Ihnen weiter?
Wenn ich jetzt sagen würde, ich will das machen, bis wir auf dem Marienplatz stehen, dann muss ich vielleicht bis 80 dabeibleiben. Ne, im Ernst, ich will schon noch zwei, drei Jahre dabei bleiben, vielleicht auch länger, es gibt keinen Plan. Ich bin den Fans der Löwen unheimlich dankbar, dass ich jetzt schon so viele Jahre diesen Job vor der Kurve machen darf. Aber ich Freude mich jetzt schon drauf, irgendwann mal wieder mit Freunden ins Stadion zu gehen, zwei Halbe zu trinken und den Schiri ohne Mikro anschreien zu dürfen: „Hey Schiri, spinnst du?” Der Tag wird kommen.
Und sonst will ich eines Tages, vielleicht wenn ich 65 bin, für soziale Einrichtungen kochen. Das würde mir Spaß machen, dann weiß ich, dass ich was Gutes mache. Das mache ich dann morgens, und mittags spaziere ich im Englischen Garten. Ich habe ja keine Kinder, war nie verheiratet. Wobei, das stimmt eigentlich gar nicht, mit Sechzig München bin ich verheiratet, und die Ehe hat’s wirklich in sich. Sechzig ist eine ganz bezaubernde Lebenspartnerin.