Interview

Stefan Salger vom TSV 1860: "Als Kapitän musst du ein Vorbild sein"

1860-Abwehrchef Salger spricht in der AZ über das Mölders-Aus und die eigene Führungsrolle.
von  Matthias Eicher
Stephan Salger.
Stephan Salger. © sampics / Stefan Matzke

AZ: Herr Salger, die Bilder haben Bände gesprochen: Wirkte das 2:0 beim BVB II nach den bitteren Pleiten gegen Mannheim (1:3) und den Magdeburg (2:5) auch für Sie wie eine Befreiung?
STEPHAN SALGER: Total! Wir sind das Spiel gegen eine sehr spielstarke Mannschaft defensiver, demütiger angegangen. Am Anfang hatten wir ein bisschen Glück, aber wir haben uns alle voll reingeworfen, sehr fokussiert gegen den Ball gearbeitet, schnell umgeschaltet - und am Ende verdient gewonnen.

War es ein Sieg des Kollektivs?
Ja, absolut. Jeder war unfassbar wach. Die Gesamtsituation hat jeden noch mehr gekitzelt. Wir haben uns gesagt: Wir dürfen uns keinesfalls dahinter verstecken. Wir wollten alle beweisen, dass wir es können, sind enger zusammengerückt und haben eine Reaktion gezeigt.

Mölders Suspendierung: "Was in der Kabine passiert, kann und werde ich nicht nach außen tragen"

Wenn wir über diese "Situation" sprechen, kommen wir um den Namen Sascha Mölders nicht herum: Was sagen Sie zu seiner Suspendierung?
Wir waren alle überrascht, als uns mitgeteilt wurde, dass Sascha bis zur Winterpause nicht im Kader steht. Es wurde öffentlich ja auch schon genug darüber spekuliert, daran möchte ich mich nicht beteiligen. Der Trainer und der Sportchef müssen so etwas entscheiden, sie werden sich schon etwas dabei gedacht haben. Jetzt sollten wir nach vorne schauen. Was in der Kabine passiert, kann und werde ich nicht nach außen tragen.

1860 liegt nach der Hinrunde auf Rang zehn, auch Trainer Michael Köllner stand in der Kritik. Nachvollziehbar?
So ist das Fußballgeschäft. Leider Gottes ist meistens der Trainer der erste, der ausgetauscht wird. Wenn Sie mich fragen, ist es richtig, dass der Verein Michael Köllner den Rücken gestärkt hat. Es ist jedem klar, dass wir unter unseren Möglichkeiten geblieben sind, mit diesen vielen Unentschieden. Wir haben unter dem verpassten Aufstieg mehr gelitten, als es vielleicht den Anschein hatte. Aber wenn du als Trainer eine so negative Phase"überlebst", wirst du daraus viel Energie ziehen. Das kann der ganzen Mannschaft einen Ruck geben.

Sie sind erst seit Sommer 2020 hier, kennen die Chaos-Löwen und die ständigen Trainer-Wechsel zu Zweitliga-Zeiten nur aus der Vergangenheit…
Stimmt. Es ist doch auch mal positiv, dass 1860 keine Skandale mehr liefert und mit dem Trainer einen menschlichen Weg gefunden hat. Dieses Chaos-Image habe ich aus der Entfernung schon manchmal belächelt, muss ich zugeben. Aber seit dem Zwangsabstieg führt der Weg kontinuierlich nach oben. Ich habe hier klare Strukturen und ein ruhiges Umfeld vorgefunden. Der Verein hat sich reflektiert - und einen neuen Weg gefunden.

Salger übernimmt Führung bei 1860

Sie scheinen da über den Tellerrand hinaus zu blicken. Im Spiel beim BVB haben Sie am Ende von Stefan Lex die Kapitänsbinde bekommen. Was war das für ein Gefühl und welche Werte sind Ihnen in einer Führungsrolle wichtig?
Zuerst mal war es wichtig, das Spiel über die Bühne zu bringen, am besten zu Null. Das ist uns gut gelungen. Es hat sich für mich nicht viel verändert mit der Binde. Wir hatten ja schon vorher nicht nur Sascha, sondern eine Hierarchie mit dem Lexi als Vize-Kapitän, mit Steini, Molli, Dennis und mir im Mannschaftsrat (Phillipp Steinhart, Quirin Moll und Dennis Dressel, d. Red.). Ich bin schon mit dem klaren Auftrag hierher gewechselt, zu führen, die Abwehr zu coachen. Ich nehme mich dabei nicht wichtiger, als ich bin und muss auch nicht über den grünen Klee gelobt werden. Als Kapitän musst du deine Leistung bringen auf dem Platz, keine Frage. Da kann auch mal ein schlechteres Spiel dabei sein, das gehört dazu. Du musst auch ein Vorbild sein und die Dinge ansprechen, wenn es nicht läuft.

Sechzigs Abwehrverbund mit Ihnen und Semi Belkahia war in der Vorsaison ein Prunkstück, kürzlich übten Sie öffentlich Kritik, dass bei Gegentoren nicht nur die Innenverteidiger "die Deppen" seien.
Wir gewinnen und verlieren zusammen. In der Abwehr ist es wichtig, dass jeder seine Aufgaben erledigt. Wir haben einige dumme Standard-Gegentore bekommen und da sehen zwar die Verteidiger dumm aus, aber die ganze Mannschaft steht in der Pflicht. Gerade für Semi war es keine leichte Zeit. Ich persönlich kann einiges einstecken, ihm habe ich gesagt: "Du kannst aus dieser Zeit viel lernen." Es hat mich sehr gefreut, dass er es jetzt so gut hinbekommen hat. Wir wissen alle, was wir an ihm und an Niklas Lang haben - das sind zwei junge Löwen mit einem enormen Potenzial.

Die Löwen gegen Würzburg: Salger fordert "Sicherheit über die Defensive"

Sprechen wir über den nächsten Gegner Würzburg (19 Uhr, AZ-Liveticker) - wie klappt es dort im letzten Spiel vor der Winterpause?
Zuerst mal sollten wir auch dort einen Step zurückgehen, uns über die Defensive Sicherheit holen und alles andere daraus entwickeln. Es sind blöde Floskeln, aber in unserer Lage sagen wir: "Hey, brechen wir das Ganze runter und bauen ein gutes Fundament auf."

Was ist für 1860 noch drin in dieser angebrochenen Saison? Provokant gefragt: Sind Sie zu gut für den Abstieg - und zu schlecht für den Aufstieg?
Erstens: Das hoffe ich doch! Und zweitens: Momentan ist es wohl so. Träume gehören dazu, aber ich bin 31 und Realist. Wir wollen natürlich eine erfolgreiche Rückrunde spielen, aber wir sollten momentan nur von einem sprechen: Würzburg.

Wenn Sie einen Weihnachtswunsch frei hätten…
...wäre das kein sportlicher, sondern: Weltfrieden und das Ende der Corona-Krise.

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