Stadion-Umfrage: Und wohin, Löwen?
MÜNCHEN - Natürlich wusste Uli Hoeneß Bescheid. Der Bayern-Präsident wirkte recht erfreut, als er in Bad Griesbach am Rande von Franz Beckenbauers Charity-Golfturnier auf den TSV 1860 angesprochen wurde. „Mein Spruch von damals gilt heute immer noch“, sagte Hoeneß. Vor zwei Jahren hatte er seinen Unmut über den Arena-Mieter kundgetan: „Wenn uns 1860 bitten sollte, aus dem Vertrag auszusteigen, werde ich die Kapelle, die die Sechzger aus dem Stadion begleitet, persönlich mit dem Defiliermarsch anführen.“
Tatsächlich diskutieren die Löwen mal wieder über einen Auszug aus der Allianz Arena. Aktueller Anlass: Eine große Online-Umfrage, die der Nürnberger Radiologe und Löwen-Fan Kai Hillmer arrangierte. „Mich hat einfach interessiert, wie die Stimmung zum Stadion wirklich ist unter den Fans“, sagte Hillmer der AZ. „Vor allem die Vertreter der Arge (1860-Fanclubdachverband, die Red.) haben meist darauf beharrt, dass die Mehrheit der Fans nicht unzufrieden sei mit der Allianz Arena.“ Die Umfrage – einsehbar bei www.loewenumfrage.de – beweist das Gegenteil. 78,6 Prozent der Teilnehmer gaben an, unzufrieden zu sein mit der jetzigen Stadion-Situation.
Bei den jüngeren Anhängern wird das noch deutlicher: 85,7 Prozent der unter 20-Jährigen und 82,6 Prozent der 20- bis 29-Jährigen halten die Allianz Arena als 1860-Spielstätte für unbefriedigend. Als Alternative zur Allianz Arena sehen die Teilnehmer – wen wundert’s – ein modernisiertes Grünwalder Stadion. 61,2 Prozent plädierten für eine Heimkehr nach Giesing. 23,2 Prozent präferieren einen Neubau an einem noch zu definierenden Ort. Nur 8,9 Prozent sehen die Allianz Arena als geeignetestes Stadion für 1860. Insgesamt 5066 Löwen-Anhänger, darunter rund 2000 Vereinsmitglieder, haben bei der Umfrage mitgemacht. Die Löwen-Granden scheinen die Umfrage ernst zu nehmen.
„Die Ergebnisse haben uns nicht überrascht“, sagt Löwen-Präsident Dieter Schneider. Vereins-Aufsichtsratschef Otto Steiner kündigte an, bereits an Alternativen zur Arena zu arbeiten und ließ sich zur Aussage verleiten, sich eine Lösung der Stadion-Thematik in den nächsten drei bis fünf Jahren zu erhoffen. Damit punktet Steiner, der im Spätsommer im Amt bestätigt werden möchte, in der blauen Gemeinde. „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der Zeitpunkt ist gut, das Thema neu aufzurollen. Der Verein schöpft neues Selbstvertrauen, wir alle sehnen uns nach einer neuen Heimat, nach einer eigenen Identität“, sagt etwa Pro-1860-Sprecher Hans Vonavka. Wenn man 1860-Vize Franz Maget fragt, wird es beim Wunsch bleiben.
„So schön die Ergebnisse aussehen: Sie bringen uns der Lösung nullkommanull näher“, sagt er. Selbst wenn die Löwen die Bayern dazu bekämen, sie aus der Arena herauszulassen und man Investoren für einen Neubau finden würde, sagt Maget: „Es gibt einfach keinen Standort für ein neues Stadion. Wenn mir einer einen Ort nennen würde, wo solch ein Modell möglich wäre, wäre ich der Erste, der an dem Projekt mitarbeitet. Wir haben uns damit lange beschäftigt. Wir mussten nicht erst auf die Umfrage-Ergebnisse warten.“ Wahrscheinlich hat der SPD-Politiker sogar recht.
Die AZ bewertet die Chancen der vorstellbaren Standorte für die Löwengrube. Giesing: Das Grünwalder Stadion wird derzeit für rund 12 Millionen Euro modernisiert. Die Stadt hat sich zwar nach zähem Ringen für den Erhalt des Sechzgers ausgesprochen, aber eben nur als Spielstätte für die Jugend- und Zweite Mannschaften der Profiklubs. Olympiastadion: Ins Stadion wird nach den DTM-Rennen Kunstrasen verlegt, damit fällt das Oly für Profi-Fußball aus. Und das wohl für alle Zeiten. Die Stadt ist nicht bereit, das Oly wieder profitauglich zu machen. Olympiapark-Chef Ralph Huber und der EHC Red Bull München kämpfen zudem gerade für eine neue Halle im Park. Riem oder Freiham: Platz wäre am Stadtrand schon da, allein, er wird dringend für Wohnungen benötigt. Außerhalb der Stadtgrenzen: Münchens große Liebe im Speckgürtel? Eben!
Im Folgenden sowie in der Bilderstrecke finden Sie die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage (Quelle: : Online Umfrage zur Stadionzukunft des TSV München von 1860 (KGaA) vom 22.05.2012 bis zum 01.07.2012 Ergebnisse und Auswertung Dr. med. Kai Hillmer)
1860 in der Arena - sind die Fans damit zufrieden?
Die Umfrage zeigte eine erstaunlich hohe Unzufriedenheit mit 78,6% (KI: 77,4%--79,7%) über die Gesamtheit aller Anhänger. Hier sollte für den Verein natürlich gerade die Stimmungslage bei den Vereinsmitgliedern von Bedeutung sein. Im Vergleich zum Durchschnitt wurde in dieser Gruppe mit 79,5% (KI: 77,7%--81,2%) Unzufriedener sogar ein minimal höherer Wert eruiert. Noch etwas höher ist die Unzufriedenheit unter den Fanclubmitgliedern. Hier lehnen 80,1% (KI: 78,1%--82,1%) die Allianz Arena ab.
In welchem Stadion sollte 1860 spielen?
Ein Blick auf alle Teilnehmer zeigt, dass die Allianz Arena unter den Fans sehr unbeliebt ist, ein grundsaniertes, modernisiertes GWS wird favorisiert: Nur 8,9% (KI: 8,1%--9,7%) bevorzugen die Arena in Fröttmaning, das modernisierte GWS ist bei 61,2% der Favorit (KI: 59,8%--62,5%). Ein vollkommen neues Stadion wollen immerhin 23,2% (KI: 22,0%-- 24,4%).
Wo wäre der ideale Ort für 1860-Heimspiele?
Die Suche nach der optimalen Lokalisation der Spielstätte wird mit Giesing (71,4%; KI: 70,1%--72,6%) eindeutig beantwortet. Alle anderen Optionen kommen nicht über 10%.
Wieviele Plätze sollte ein 1860-Stadion haben?
Die erforderliche Stadionkapazität sehen die Fans im Durchschnitt bei 36.580 Zuschauern. Der weit überwiegende Teil liegt hierbei zwischen 30.000 und 40.000.
Wären die Fans in einem eigenen neuen Stadion eher bereit für den Kauf einer Jahreskarte?
Für den Verein ist es besonders wichtig, die Einnahmen in einem eigenen Stadion im Vorfeld abschätzen zu können. Daher wurden die Fans befragt, ob sie in einem eigenen Stadion eine Jahreskarte beziehen würden. Hierbei ist im Mittel ein deutlich (121,3%) gestiegenes Interesse an Jahreskarten zu erkennen.
Würden die Löwen-Fans bei einem eigenen Stadion eher ihr Team anfeuern?
Die Umfrage ergab, dass die Löwenfans ihre Mannschaft ein einem eigenen Stadion wesentlich häufiger anfeuern würden. 63,7% (KI: 62,4%--65,1%) gaben an, hier öfter zu kommen.
Wie sollten die Preise im eigenen Stadion sein?
34,5% der Wähler wären bereit, in einem eigenen Stadion eine höheren Eintrittspreis zu zahlen. Weniger am Kassenhaus hinterlassen wollen 11,3%. Der überwiegende Teil der Löwenanhänger würde die aktuellen Eintrittspreise weiter tragen (53,3%).
Was erwarten sich die Fans von einem neuen Stadion?
Hier hoffen 66,0% der Fans auf einen besseren sportlichen Erfolg. Noch mehr Anhänger (87,7%) sehen in einem eigenen Stadion eine bessere Stimmung.
In welcher Liga sollte 1860 spielen?
Die Löwenanhänger wollen zum überwiegenden Teil die Mannschaft in der ersten Bundesliga spielen sehen.