„Sind wir ein Volk von Pharisäern?“

Löwen-Präsident Dieter Schneider äußert sich über den angezählten Bundespräsidenten Christian Wulff, der genau wie er dieser Tage in Rom weilt.
von  mpl
1860-Präsident Schneider in Rom
1860-Präsident Schneider in Rom © Abendzeitung

Löwen-Präsident Dieter Schneider äußert sich über den angezählten Bundespräsidenten Christian Wulff, der genau wie er dieser Tage in Rom weilt

Rom – Es gibt diese Parallelen, beide sind sie Präsident, beide stehen (auf ganz unterschiedliche Art und Weise) stark in der Öffentlichkeit, von dem einen wird aktuell vehement der Rücktritt gefordert, der andere beschäftigte sich einst selbst damit, ob er sein Amt aufgeben solle. Sowohl der stark angezählte Bundespräsident Christian Wulff als auch Löwen-Präsident Dieter Schneider verbringen gerade ein paar Tage in Rom – Wulff freilich zum Staatsbesuch – und wohl auch ein bisschen zur temporären Flucht aus Berlin –, und Schneider, um den Papst zu treffen.

Die AZ fragte Schneider zur Affäre um den Bundespräsidenten, die im Dezember mit dem Bekanntwerden seines Privatkredits aufkam, und die bis heute mit Rücktrittsforderungen aus allen Richtungen köchelt. Schneider: „Er muss seine Lage selbst beurteilen, so wie er mit sich im Reinen ist. Ich habe aber ein Problem damit, zu hohe moralische Anforderungen an Politiker zu stellen, die man niemals an sich selbst stellen würde. Wenn also theoretisch mal jemand bei einem Freund übernachtet und dann eine Rechung über 100 oder 150 Euro bezahlen muss, nur um klarzumachen, dass er nichts frei entgegengenommen hat, dann meine ich, sind wir ein Volk von Pharisäern.“

Schneider weiter: „Aber es gibt natürlich für jemanden, der für sich in Anspruch nimmt, höchste Werte zu repräsentieren und Vorbild zu sein, sehr enge Grenzen. Jeder sollte für sich diese Grenzen ziehen und sie einhalten. Dass jetzt die Medien alles rausziehen aus diesem Thema, was sie über Jahre gesammelt haben, gehört zum Spiel dazu.“

„Ich war ja selbst auch mal in der Lage, in der ich mich fragte, mache ich weiter? Oder mache ich nicht weiter? Wie diene ich der Sache mehr? So lange der Bundespräsident für sich nicht den Eindruck erweckt, er klammert nur noch um des Klammerns Willen, und so lange er mit sich im Reinen ist, mag es ihm schwerfallen, zurückzutreten.“

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