Sebastian Boenisch: Der Sündenbock

Sebastian Boenisch überzeugt unter dem neuen Trainer Vitor Pereira – doch im Prozess gegen den Ex-Kaderplaner will der Klub ihn als Fehleinkauf abstempeln. Wie passt das zusammen?
von  P. Mayer
Beim TSV 1860 sind nicht nur seine sportlichen Leistungen Thema: Sebastian Boenisch.
Beim TSV 1860 sind nicht nur seine sportlichen Leistungen Thema: Sebastian Boenisch. © dpa

Beidfüßig, stark in der Spieleröffnung, auf verschiedenen Positionen einsetzbar – Weltmeister Thomas Berthold nannte Löwen-Abwehrmann Sebastian Boenisch im Gespräch mit der AZ einst eine "Rarität". In der Tat gibt es wenige Innenverteidiger mit einem starken linken Fuß, und selten welche, die sich gleichzeitig zum Außenverteidiger eignen.

Boenisch, ehemals polnischer Nationalspieler, bringt diese Eigenschaften mit. Bei Sechzig ist der 30-Jährige unter Vitor Pereira in dessen 3-4-3 als rechter Verteidiger nicht wegzudenken. Der Portugiese hat seine Lieblingsspieler in Giesing, denen er – ausschließlich – vertraut. Daran lassen seine Aufstellungen kaum einen Zweifel. Boenisch, Champions-League-erfahren, zählt zu diesem erlauchten Kreis.

"Boenisch links oder rechts, egal, der kann auch zentral spielen"

Schon nach seinem Debüt gegen Greuther Fürth (2:1) hob der 48-jährige Trainer eben Boenisch hervor. "Boenisch links oder rechts, egal, der kann auch zentral spielen", sagte er: "Er hat eine Charakteristik, die ich mag: Er will immer tiefe Bälle spielen." Boenisch, der Vertrauensmann. Doch an anderer Stelle, bei den Löwen-Bossen, heißt es vielmehr: Boenisch, der Sündenbock.

Zur Einordnung: Der TSV 1860 steht aktuell vor Gericht. Kläger sind Ex-Coach Kosta Runjaic, Ex-Sportchef Thomas Eichin und der frühere Kaderplaner Peer Jaekel. Sie klagen wegen ausstehender oder minimierter Gehaltszahlungen, letztlich geht es um Abfindungen. Sechzig versucht, sich bestmöglich aus der Affäre zu ziehen. Und vertraut dabei auf die Vorhaltungen von Anwalt Tassilo König. Dieser argumentierte gegen Jaekels Forderungen mit dem mutmaßlichen Fehleinkauf eines Spielers. Sein Name: Sebastian Boenisch.

Hintergrund ist die vermeintliche Verletzungsanfälligkeit des Abwehrspielers. Konkret heißt es, Jaekel habe im Rahmen des Medizinchecks nicht vor dem Risiko einer Verpflichtung gewarnt. Zwar führt das Fachportal "transfermarkt.de" zwischen Sommer 2009 und heute 15 Verletzungen bei Boenisch auf. Besonders schwerwiegend war dabei ein Knorpelschaden im Knie, der den Löwen-Profi zwischen September 2010 und Januar 2012, damals noch bei Werder Bremen unter Vertrag, außer Gefecht gesetzt hat. Doch das liegt erstens mehr als fünf Jahre zurück. Zweitens kämpfte er sich zwischenzeitlich bis zu Topklub Bayer Leverkusen hoch. Drittens ist Boenisch aktuell beschwerdefrei. Zumindest gibt es von Vereinsseite keine anderslautenden Informationen. König argumentiert demnach mit der angeblichen Fehleinschätzung bei einem Profi, der unter Pereira aber unumstrittener Stammspieler ist. Eigenartig!

Unglückliche Außendarstellung im Fall Boenisch

Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus. Auch wenn beide Ebenen, die juristische und die fußballerische, getrennt werden müssen, ist diese Außendarstellung unglücklich. Nicht zuletzt, was Boenischs Standing bei den Fans und in der Mannschaft angeht. Dem Vernehmen nach soll letzteres sehr gut sein, Boenisch gilt als Wortführer. Oft zitiert Pereira ihn während einer Partie zu sich her, oder der Spieler sucht selbst das Gespräch mit dem Coach.

Dem dürfte der jüngste Nebenkriegsschauplatz so gar nicht in seine vorrangige Mission Klassenverbleib reinpassen. "Meine Idee von Fußball hat nichts damit zu tun, wie hier Fußball gespielt wird", sagte der Löwen-Trainer im Februar im Interview mit dem Online-Portal "Tribuna Expresso" über den Stil des TSV 1860. Der Stil von Boenisch, notfalls den riskanten Ball vertikal in die Spitze zu spielen, passt dagegen sehr wohl in die Fußballphilosophie Pereiras. Es dürfte Redebedarf geben in der Grünwalder Straße – mal wieder.

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