„Schwere handwerkliche Fehler im Präsidium“

Hier erklärt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, warum er den Investor verhindert hat. Er ist „kreuzunglücklich“ mit Beecks Vorgehen und hält ein Plädoyer für Stefan Reuter.
AZ: Herr Ude, warum haben Sie den 1860-Deal mit dem Millionen-Investor Nicolai Schwarzer gekippt?
CHRISTIAN UDE: Dr. Markus Kern hat mich am vergangenen Samstag alarmiert und mir die Verträge gezeigt – und ich habe mich nach der Einsicht anschließend an meinen Parteifreund Franz Maget gewandt und ihm meine Bauchschmerzen mitgeteilt.
Warum?
Meines Erachtens reichte der Wortlaut des Vertrages aus, um erkennen zu können, dass die Liga dem Vertrag nicht zustimmen würde. Ein Fußball-Verein sollte immer im eigenen Haus bleiben. Gottseidank hat Kern den Vertrag nicht unterschrieben.
Dabei hatten Sie vorher dem Investor-Modell noch am Telefon zugestimmt.
Ja, aber ich bin – wie so oft – mal wieder überrumpelt worden, das ist ein zunehmendes Ärgernis, weil die Verantwortlichen wissen, dass ich kurzfristig anberaumte Sondersitzungen nicht wahr nehmen kann – diesmal war ich gerade auf einer Dienstreise in Istanbul, als mich die Nachricht erreichte.
Und?
Ich habe die Sache mit dem Investor zunächst begrüßt, weil mir gesagt wurde, dass es hier einen Unternehmer gibt, der für 25 Prozent fünf Millionen Euro bezahlen will – aber als mir wenige Minuten später auch noch gesagt wurde, dass es eine Veränderung beim Sportdirektor gäbe, habe ich gesagt, dass ich das nicht mittragen könne.
Warum nicht?
Die Forderung des Investors, dass Miroslav Stevic die Position erhalten müsse, damit auch bestimmte Rechte habe und nur mit Zustimmung des Investors abgelöst werden könne – das ging nicht.
War ein Wechsel auf dem Posten des Sportdirektors denn nicht überfällig? Der beurlaubte Manager Stefan Reuter, der Weltmeister von 1990, hat es in drei Jahren als Manager nicht geschafft, die Löwen in die Bundesliga zurückzuführen.
...trotzdem halte ich ihn für einen ausgewiesenen Fußball-Fachmann und Sympathieträger im deutschen Fußball – und als Geschäftsführer des TSV 1860 hat er sich nichts zu schulden kommen lassen.
Dennoch hat keinen Erfolg gehabt: Machen Sie sich denn nun für ein Reuter-Comeback stark?
Das habe ich nicht gesagt, ich weiß ja gar nicht, ob er das überhaupt nochmal will.
Und was halten Sie von Stevic?
Ich kenne ihn nicht – und weiß nicht, ob er überhaupt noch Sportdirektor bleiben will, denn er war ja sehr eng verknüpft mit dem Investor-Einstieg.
Es ist doch offensichtlich: Beim TSV 1860 gibt es intern atmosphärische Störungen – oder wie erklären Sie sich, dass das Präsidium Beeck ohne des Wissens der Geschäftsführung mit einem Investor verhandelt hat?
Ich verstehe, dass das Präsidium den Deal geheim halten wollte und sich auch unter Zeitdruck befand – aber ich bin kreuzunglücklich darüber, dass die Lösung mit dem Investor erst der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, ohne die Liga und die Geschäftsführung zu befragen. Man hätte sich diese Blamage ersparen können.
Muss das Präsidium um Rainer Beeck nun die Konsequenzen ziehen und zurücktreten?
Ich halte jetzt nichts von Schlachtrufen. Zweifelsohne ist alles sehr unglücklich verlaufen, es sind schwere handwerklicher Fehler im Präsidium begangen worden – aber was bringt jetzt ein Köpferollen?
Der Verein hat sich in ganz Deutschland blamiert.
Ich sage hier ganz deutlich: Schuster bleib’ bei deinen Leisten! 1860 braucht keinen Präsidenten, der den Ersatz-Geschäftsführer spielt – und einen Finanz-Geschäftsführer, der der Super-Präsident sein wollte. Das haben wir schon mal alles gehabt.
Einer hat schon keine Lust mehr auf 1860: Aufsichtsrat Jo Brauner ist zurückgetreten. Haben Sie noch Eifer, sich ständig mit Krisen auseinander zu setzen?
(lacht): Die Leidensfähigkeit, die man als Löwe ohnehin haben muss, wird in diesen Tagen aufs Äußerste strapaziert. Die Frage, wann die Grenze überschritten ist, wird natürlich immer aktueller. Aber man glaubt an das Gute – auch bei 1860. Und nach einer schweren Krise kommt irgendwann auch wieder Sonnenschein.
Interview: Oliver Griss