Schneiders Machtprobe

Zoff über die Machtverhältnisse bei 1860: Nach einem Streit über die Einflußnahme des Investors droht der 1860-Präsident im Aufsichtsrat mit seinem Rücktritt.
von  Marco Plein, Filippo Cataldo
1860-Präsident Dieter Schneider hat dank Weltraumnahrung ein paar Kilo zugenommen.
1860-Präsident Dieter Schneider hat dank Weltraumnahrung ein paar Kilo zugenommen. © sampics

Zoff über die Macht bei 1860: Nach einem Streit über die Einflußnahme des Investors droht der 1860-Präsident im Aufsichtsrat mit seinem Rücktritt.

MÜNCHEN - Dieter Schneider musste geschickt ausweichen, sonst wäre er noch getroffen worden. Als die Söhne von (Noch-)Aufsichtsratschef Otto Steiner am Sonntagabend während des Rückflugs von der Auftaktpleite der Löwen in Braunschweig ihren Spaß daraus machten, sich mit Papierkügelchen zu bewerfen, musste sich der Präsident in Acht nehmen.

Auch im Klub fühlt der Präsident sich derzeit heftigen und ernst zu nehmenden Attacken ausgesetzt. In der letzten Sitzung des amtierenden Aufsichtsrates am Freitag soll es zu heftigen Diskussionen über die künftige Besetzung des Kontrollgremiums gekommen sein. In deren Verlauf habe Schneider sogar mit seinem Rücktritt gedroht – wie der AZ mittlerweile mehrere Vereinskenner unabhängig voneinander bestätigt haben.

Bilder: Die Bosse der Löwen

Nur wenige Wochen nach dem Einstieg des Investors Hasan Ismaik ist im Klub also schon der erste handfeste Zoff darüber entbrannt, wer die Macht bei 1860 inne hat und wer und wie diese kontrolliert werden soll.

Dabei scheint der Auslöser der Rücktrittsdrohung eigentlich eine Petitesse. An diesem Freitag soll das Kontrollgremium vereinbarungsgemäß von neun auf sechs Mitglieder verkleinert werden, 1860 und Ismaiks Firma haben dabei jeweils das Vorschlagsrecht für drei Räte. Während Ismaiks Seite mit dem Investor selbst, dessen Münchner Statthalter Hamada Iraki und einer Anwältin drei ausgewiesene Wirtschaftsexperten vorschlagen möchte, soll Schneider neben sich selbst zwei Politiker – Vizepräsident Franz Maget und Siegfried Schneider, den Präsidenten der  Landesmedienanstalt – nominiert haben. Dagegen soll sich im aktuellen Rat Widerstand geregt haben, einige der aktuellen Räte sollen sich dafür ausgesprochen haben, mindestens einen weiteren Geschäftsmann zu nominieren.

Normalerweise würden solche Diskussionen sicher nicht ausreichen, um mit dem Rücktritt zu drohen. Zumal dies nicht zu Schneider passen würde. Er hat die Präsidentschaft erst vor einem halben Jahr übernommen und bis zum Schluss unermüdlich für die 1860-Rettung gekämpft.

Wie aus dem Umfeld des Präsidenten zu hören ist, befürchtet Schneider offenbar, dass der Investor zu viel Einfluss nehmen wolle auf das operative Geschäft. Konkret scheint es um die Frage zu gehen, welche Entscheidungen Ismaik und seine Leute gemeinsam mit der Geschäftsführung treffen können, ohne Aufsichtsrat und Präsidium zu konsultieren – und wer von Ismaik gewünschte Investitionen, zum Beispiel die Abdeckung des Oberrangs in der Allianz Arena und Freikarten für Schüler bei jedem Heimspiel, letztendlich zu tragen habe. Schneider hat Angst, dass 1860 am Ende die Zeche zahlen muss und er die Geister, die er durch die Ermöglichung des Einstiegs selbst rief, nicht mehr los wird.

Wohl auch um seinen Einfluss zu wahren, möchte Schneider, der in den letzten Tagen immer mal wieder mit Iraki aneinandergeraten sein soll, keine „Leichtgewichte” im Aufsichtsrat haben, die bei strittigen Fragen zu Gunsten Ismaiks entscheiden könnten.

Dafür nimmt Schneider nun auch in Kauf, den aktuellen Räten Druck zu machen: Sollten sie nicht so entscheiden, wie er es für sinnvoll hält, werde er zurücktreten. Dass somit auch Gefahr droht, dass die kritischen Stimmen im Klubumfeld, die anmahen, dass Schneiders „One Man Show” aufhören müsse, immer lauter werden, nimmt er offenbar in Kauf. Wobei er es auch anders hätte haben können. Nach AZ-Informationen hatte die Investorenseite Schneider sogar die Geschäftsführung bei 1860 angeboten. Doch eine feste Anstellung bei 1860 wäre für ihn aus zeitlichen wie beruflichen Gründen nicht in Frage gekommen. „Ich muss nicht mehr 14 Stunden am Tag für 1860 tätig sein. Die Geschäfte laufen auch ohne mich", sagte Schneider noch am Montagmittag. Nur: Richtig daran zu glauben scheint er nicht.

Montagabend erlangte Schneider immerhin schon mal einen Punktsieg. Bei einer Telefonabstimmung votierten alle acht Aufsichtsräte (Schneider stimmte nicht mit) dafür, die Vorschläge des Präsidenten anzunehmen. Offen bleibt, ob Schneider das reicht.

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