Robert Reisinger: "Sechzig muss wieder eine Marke werden"

Der 45-jährige Münchner Spediteur ist seit der Mitgliederversammlung am Sonntag Fußball-Abteilungsleiter beim TSV 1860. Im Interview spricht der neue Fußball-Chef über seine Jugend, die Stadionfrage und die Abgrenzung zu Bayern.
AZ: Herr Reisinger, Glückwunsch nochmal. Haben Sie gut geschlafen in der ersten Nacht als neuer Fußball-Abteilungsleiter?
ROBERT REISINGER: Nein. Mein zweijähriger Sohn ist krank, da war an Schlaf nicht zu denken. Aber der neue Posten, wenn Sie das gemeint haben, bringt mich nicht um den Schlaf – weil ich mich auf die Aufgabe als Abteilungsleiter freue.
Ihre Wahl am Sonntag bei der Mitgliederversammlung der Fußball-Abteilung kam für viele überraschend. Ihr Gegenkandidat, der Gastronom Thomas Hirschberger, war ja der eigentliche Favorit.
Überrascht hat mich vor allem das deutliche Ergebnis. Mir ist im Januar bewusst geworden, dass ich dieses Amt antreten will. Da war klar, dass Wolfgang Hauner nicht mehr kandidiert, dass ein Nachfolger gebraucht wird. Und hinstellen und von außen gescheit daherreden, das ist leicht. Darum dachte ich mir, in so einer Position kannst du was bewirken. Denn die Löwen sind mein Herzblut. Wenn's den Blauen schlecht geht, geht's auch mir schlecht.
Nach Ihrer Wahl am Sonntag nannte Sie Pro-1860-Sprecher Hans Vonavka einen „Löwen mit Stallgeruch". Dabei waren Sie ja anfangs erst einmal in Italien, dort sind sie aufgewachsen.
Ja. Geboren bin ich in Peiting, dann musste mein Vater beruflich nach Mailand, 1974 sind wir zurück nach München.
Da waren Sie zehn.
Richtig. Und mein Vater hatte mich gleich bei den Löwen angemeldet. Da spielte ich dann auch, bis ich 17 war in den Jugendmannschaften. Dann kam ein Meniskusschaden, den sie damals noch für irreparabel hielten. Mit dem Leistungssport war es dann vorbei.
Wenn schon nicht auf dem Platz, so können Sie den Löwen jetzt doch zumindest als Funktionär helfen. Sie sagten nach Ihrer Wahl, die Jugendarbeit wäre Ihnen besonders wichtig, inwieweit können Sie auch über die Nachfolge des scheidenden Jugendchefs Ernst Tanner entscheiden?
Als Abteilungsleiter des e.V. bin ich zuständig für die B- bis E-Jugend. Tanner ist ja bei der Fußball-Gesellschaft, der KGaA angestellt. Ich hoffe schon, dass ich in den Gesprächen mit dem Präsidium mitreden kann. Was mich gewundert hat ist, dass Hauner am Sonntag gesagt hat, das Präsidium hätte ihn immer außen vorgelassen und nie mit ihm gesprochen. Dieses Gefühl hat mir das Präsidium nie gegeben.
Sie standen schon in Kontakt?
Ja. Jedesmal, aber nur in meiner Funktion als Business-Seat-Kunde in der Arena.
Sie sprachen am Sonntag von der Wichtigkeit des Stadion-Themas. Würden Sie Ihren Business-Seat in Fröttmaning denn mit einer Holzbank im Grünwalder tauschen?
Diese Frage stellt sich nicht. Ich halte das Grünwalder Stadion wichtig für den Amateur und Jugendbereich, ein Profibetrieb kann im derzeitigen Zustand aber so nicht stattfinden.
Den Löwen-Fans liegt ja vor allem die Abgrenzung zum Lokalrivalen FC Bayern am Herzen. Dass die Löwen wieder ein eigenes Image bekommen.
Schauen Sie doch einfach nur einmal in den Ruhrpott. Dortmund, Schalke, Bochum, dazwischen Essen, Wuppertal, Oberhausen. Da fährt man mit der Straßenbahn von einem Ort zum nächsten, und jeder von diesen Vereinen hat es geschafft, zu überleben. Das sollte doch auch in München möglich sein. Sechzig muss wieder eine eigene Marke werden. Dann bin ich zuversichtlich, dass es uns auch gelingen wird, wieder die Kinder und Jugendlichen für die Blauen zu gewinnen.
Ihr Sohn dagegen ist wahrscheinlich schon einer.
Natürlich. Er ist schon Mitglied. 50 Prozent Mama, 50 Prozent Papa. Und 100 Prozent Löwe.
Interview: Florian Kinast