Reuters letztes Tafelsilber

Nach Timo Gebharts Verkauf bleiben 1860 nur noch die Bender-Zwillinge als kickendes Kapital.
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Die Zukunft der Löwen: Die Bender-Zwillinge Lars (l.) und Sven.
M.i.S./Bernd Feil Die Zukunft der Löwen: Die Bender-Zwillinge Lars (l.) und Sven.

Nach Timo Gebharts Verkauf bleiben 1860 nur noch die Bender-Zwillinge als kickendes Kapital.

MÜNCHEN Eigentlich könnte sich Stefan Reuter für diesen Verkauf selbst auf die Schulter klopfen. In Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Depression rund 3,2 Millionen Euro Ablöse für einen erst 19 Jahre alten Spieler zu bekommen, der gerade mal 37 Zweitligaspiele absolviert hat, das ist schon ziemlich respektabel.

Und doch kann sich der Löwen-Geschäftsführer nicht nur freuen über den Verkauf von Timo Gebhart an den VfB Stuttgart. In Gebhart hat er eines der letzten 1860-Talente verkauft, die der Klub zu Geld machen kann.

Seit 2002 haben die Löwen 16,6 Millionen Euro bekommen für Spieler, die bei ihnen groß geworden sind. Nun ist nicht mehr viel zu holen.

Daniel Bierofka war 2002 der erste Kicker, der 1860 in Richtung eines Spitzenklubs verließ. „Ich bin damals auch gegangen worden“, sagt Bierofka, mittlerweile zurück und sogar Kapitän bei 1860. Die Löwen brauchten Geld, 4,2 Millionen Euro überwies Leverkusen damals. 4,2 Millionen Euro, mit denen 1860 die Lizenz für die folgende Saison rettete. Nach dem Abstieg 2004 folgten weitere Not-Verkäufe. Für insgesamt 6,6 Millionen Euro (alle Zahlen laut www.transfermarkt.de) gingen Benny Lauth und Andy Görlitz. 2006 und 2007 verscherbelte 1860 dann unter Geschäftsführer Stefan Ziffzer nach der Beinahe-Insolvenz die zweite Generation der Löwen-Talente: Für Matthias Lehmann, Marcel Schäfer und Daniel Baier gab es 2,6 Millionen Euro. Die Einnahmen verwendete man, um sich das Spielen in der Allianz Arena leisten zu können. Neue Stars konnte 1860 nicht verpflichten, der Traum vom Aufstieg in die Bundesliga rückte in immer weitere Ferne. Schritt für Schritt etablierte sich 1860 im Mittelfeld der zweiten Liga.

Nun, nachdem im U 19-Europameister Gebhart das markanteste Gesicht der dritten Generation der Löwen-Eigengewächse verkauft ist, ist nicht mehr viel da vom Tafelsilber, vom „Kapital der Löwen“, wie Reuter es selbst mal ausgedrückt hat. Nur noch die Bender-Zwillinge Lars und Sven könnten ihnen auf dem Transfermarkt noch einige Millionen bringen. Lars und Sven Bender sind Reuters letztes Tafelsilber.

Voraussichtlich wird es nicht mehr lange dauern, bis auch sie sich – nicht nur aus sportlichen Gründen – aus Giesing verabschieden werden.

Auch Reuter weiß, dass die abnorme Kostenstruktur bei den Löwen mit den hohen Ausgaben für die Allianz Arena (rund fünf Millionen Euro pro Jahr) und dem relativ geringen Spieleretat (weniger als sechs Millionen pro Jahr) den TSV 1860 in den nächsten Jahren in den Untergang treiben könnte. In der Zweiten Liga muss Reuter, wenn er keine Spieler verkauft, mit einem Minus von rund drei Millionen Euro kalkulieren. Und das Jahr für Jahr. Sobald die Benders verkauft wären, würde sich also zwangsweise eine selbstzerstörerische Schuldenspirale in Gang setzen, die in der Pleite enden könnte.

Das alles weiß Reuter natürlich. Sein Kommentar zum Gebhart-Verkauf war da geradezu entlarvend. „Es war und ist weiterhin unser Ziel, die Mannschaft Schritt für Schritt zu verstärken, um bis zu unserem 150-jährigen Vereinsjubiläum 2010 den Wiederaufstieg in die Bundesliga realisieren zu können", so ließ sich Reuter in einer offiziellen Erklärung zitieren. Da klang weniger Reuters unerschütterlicher Zweckoptimismus als vielmehr eine Forderung auch an sich selbst heraus. Nur durch den Aufstieg in die Bundesliga wird 1860 die Benders halten können. Nur durch den Aufstieg im nächsten Jahr würde der Klub die wohl letzte Chance bekommen, sich wirklich sanieren zu können.

Und so möchte Reuter dieses Mal nicht die gesamten Einnahmen des Gebhart-Transfers zur Schuldentilgung verwenden. „Wir werden die Augen auf dem Transfermarkt offen halten, um noch in der Winterpause adäquaten Ersatz für Timo zu finden“, versprach der Manager. Offenbar will Reuter nun endlich einen etwas mutigen, riskanteren Weg gehen. Etwas anderes bleibt ihm kaum noch übrig.

Filippo Cataldo

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