"Radi" Radenkovic: Der König der Löwen

Petar "Radi" Radenkovic, Meister-Torwart der Löwen, war schon damals eine Ikone – und das nicht nur wegen seiner Sangeskünste.
von  Patrick Mayer
Prägte das moderne Torhüterspiel: Radenkovic (l.), hier gegen Manfred Pohlschmidt vom Hamburger SV. Kleines Bild: Radenkovic bei der Jubiläumsfeier des TSV.
Prägte das moderne Torhüterspiel: Radenkovic (l.), hier gegen Manfred Pohlschmidt vom Hamburger SV. Kleines Bild: Radenkovic bei der Jubiläumsfeier des TSV. © dpa

München - "Radi, Radi!" Hektisch rufen kleine Buben mitten ins Spiel. Ihre Väter stehen dicht gedrängt hinter seinem Tor. Sie brüllen noch lauter: "Radi, Radi!" Petar "Radi" Radenkovic kann sich noch genau erinnern – an die Heimspiele gegen den FC Bayern oder den Club aus Nürnberg. "Da war das Stadion an der Grünwalder Straße überfüllt. Die Leute saßen bis zur Außenlinie", erzählt der heute 81-Jährige der AZ. "Das war einmalig." Eine Atmosphäre, die den Torhüter und seine Kameraden 1966 zur deutschen Meisterschaft trug, die "für uns nicht überraschend kam".

Radi hat sich sein Selbstbewusstsein bewahrt, gepaart mit einem frechen Humor. Schon Mitte der 1960er Jahre nannten ihn viele einen Schelm, mancher sogar einen Quergeist. Er war der Star beim TSV 1860. "Radi war seiner Zeit weit voraus. Er hat die Mannschaft dirigiert und war der Grundstein für den Erfolg", meint sein damaliger Kapitän Peter Grosser. "Er hat auch auf anderem Gebiet für Furore gesorgt: Man denke an seine Schallplatten, natürlich an den Song ‚Bin i Radi, bin i König‘." Legendär war seine Selbsteinschätzung, er sei "bestes Torwart von Welt", meinte der Serbe einmal. Er hatte (und hat) Kultstatus.

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Der heutige Löwen-Präsident Peter Cassalette hörte als kleiner Bub seine Schallplatten rauf und runter, hatte einen Starschnitt des Torhüters in Lebensgröße an seiner Tür hängen. Dem kam 1965 die Idee, eigene Lieder aufzunehmen, als er mit einem befreundeten Musiker bei einem Bier zusammen saß. "Er sagte mir: Mensch, Du hast so eine gute Stimme, warum machst Du nicht auch eine Schallplatte", erzählt er. "Bin i Radi, bin i König" verkaufte sich hunderttausendfach, in den Charts wechselte er sich mit den "Beatles" ab.

Mittlerweile lebt er in seiner Heimatstadt Belgrad. Seine Töchter Darinka und Petra sind in München geblieben. Mehrmals im Jahr besucht er sie, wenn möglich, schaut er sich ein Heimspiel der Sechzger an. Wird die englische Liga übertragen, sitzt er gebannt vor dem Fernseher. "Ich vergleiche unsere Mannschaft damals mit der von Leicester City heute", meint er. "Leicester war ein totaler Außenseiter, wurde aber Meister. Zu unserer Zeit war der Fußball aus München allgemein, also Bayern und 1860, totaler Außenseiter."

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Der 1. FC Nürnberg, Eintracht Frankfurt, die Kickers Offenbach, der VfB Stuttgart und der Karlsruher SC hätten die Meisterschaft im Süden untereinander ausgemacht, erzählt er. Doch dann kam Sechzig – mit Radenkovic. 1962 verließ er seine Heimat, wollte sich in Deutschland beweisen. Er war damals Ende Zwanzig. Umstellungsprobleme? Fehlanzeige.

"Wir waren in der Mannschaft sechs, sieben Münchner, ein eingeschworenes Team. Da musste sogar so ein Star wie der Radi machen, was wir wollten", schildert Meister-Löwe Fredi Heiß im Gespräch mit der AZ. "Er hat sich sehr gut eingefügt." Kein Wunder. Er ist ein geselliger Typ. "Rauchen, ab und zu ein Bier, das war eine viel gemütlichere Zeit als sie heute Spitzensportler erleben", sagt er und erzählt, dass bei Sechzig damals noch kastenweise Bier in der Kabine getrunken wurde.

Heute wäre aber wohl auch nicht mehr vorstellbar, dass Konflikte offen ausgetragen werden. Radenkovic tat dies einst mit Trainer Max Merkel. "Wir waren unterschiedliche Charaktere, grundverschieden", erzählt er: "Er war kein Freund der Spieler, ein totaler Fremdkörper." Im Jahr nach der Meisterschaft kam es zum Eklat. Merkel verpflichtete Wolfgang Fahrian, weil ihm Radenkovic zu aufmüpfig war.

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Dennoch erinnert sich dieser positiv. "Er war der Erste, der meine Art des Torhüterspiels unterstützt hat", schildert er. Wie Bayerns Manuel Neuer pflegte auch Radi riskante Ausflüge aus seinem Tor. Allen stockte der Atem – nur ihm nicht: "Erst jetzt mit Neuer haben die Leute gesehen, wie modern mein Spielstil schon damals war." Wieder lächelt er. Er ist eben ein Schelm, der Radi, der König von Giesing.

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Bin i Radi - bin i König: Der Text

 

 

"Bin i Radi – bin i König, alles andere stört mich wenig, was die anderen Leute sagen, ist mir gleich, gleich, gleich. Bin i Radi ja, ja, ja, bin i König ja, ja, ja und das Spielfeld ist mein Königreich. Stehe ich so im Tor, kommt mir manchmal vor, Leute nehmen Spiel zu ernst, haben nicht Humor. Ball kommt wie der Blitz, dass ich manchmal schwitz, doch ich fang fast alle mit Humor und Witz. Bin i Radi – bin i König, alles andere stört mich wenig, was die anderen Leute sagen, ist mir gleich, gleich, gleich. Bin i Radi ja, ja, ja, bin i König ja, ja, ja und das Spielfeld ist mein Königreich. Manchmal schimpft sogar, eigene Spielerschar, wenn ich hab zu viel riskiert und noch komisch war. Das macht mir nicht viel, Spiel ist für mich Spiel, doch wenn es drauf ankommt, weiß ich, was ich will. Bin i Radi – bin i König, alles andere stört mich wenig, was die anderen Leute sagen, ist mir gleich, gleich, gleich. Bin i Radi ja, ja, ja, bin i König ja, ja, ja und das Spielfeld ist mein Königreich."

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