Pulverfass Sechzig

Das 2:3 in Frankfurt ist ein neuerlicher Tiefpunkt.Danach gehen die Fans auf die Barrikaden.Auch das Präsidium greift ein und macht Druck.Aber Lienen, dessen Rauswurf gefordert wird, bleibt
MÜNCHEN Es ist erstaunlich und auch tragisch, wie schlecht die Löwen Fußball spielen können. Das peinliche 2:3 beim FSV Frankfurt, bis Samstag Zweitliga-Letzter, dämpft jede Hoffnung auf bessere Zeiten an der Grünwalder Straße. „Das war 1860 unwürdig“, schimpfte Trainer Ewald Lienen. Geschäftsführer Manfred Stoffers zur AZ: „Das Schmerzliche ist, wenn man so schändlich verliert wie wir, wenn man sich nicht quält.“
Vielmehr gerät diese Saison zur Qual. Für 2010, das Jahr des 150-jährigen Vereinsbestehens, war der Aufstieg in die Bundesliga angepeilt. Das können die Löwen schon jetzt getrost vergessen. Sie müssen eher aufpassen, die Zweite Liga nicht nach unten zu verlassen. Das Team belegt Tabellenplatz 14; elf Mal hintereinander ist es auswärts sieglos geblieben. Stoffers sagt: „Wir werden unser Ziel nicht aus den Augen verlieren. Allerdings ist die Frage, in welchem Zeitfenster wir das schaffen. Ein Aufbau einer Mannschaft ist kein Quickie oder One-Night-Stand, sondern ein Prozess der langfristig ist.“ 1860 noch mit Sex in Verbindung zu bringen, wirkt derzeit reichlich verwegen. Der Klub erinnert eher an ein Pulverfass. Es schwelt überall:
DAS PRÄSIDIUM WÜTET
1860-Vize Franz Maget war in Frankfurt im Stadion. Nach der desaströsen ersten Halbzeit stürmte der SPD-Politiker in der Pause nach AZ-Informationen in die Umkleidekabine zur Mannschaft. Das dürfte bei Trainer Ewald Lienen & Co. nicht gut angekommen sein. Hinterher motzte Maget: „Was war das? Der Auftritt war unmöglich! Das genügt unseren Ansprüchen nicht!“ Maget fordert: „Jetzt müssen alle ganz schnell miteinander reden. Die Mannschaft, der Trainer, das Management – und die Geschäftsführung.“
DER CHEF LÄSTERT
Geschäftsführer Stoffers ist derjenige, der den Klub finanziell am Leben halten soll. Über das, was auf dem Rasen passiert, wundert er sich nur noch: „Für mich besteht Erklärungsbedarf, warum man an einem Wochenende gegen Duisburg gut spielt und gewinnt – und dann eine Woche später versagt.“ Stoffers weiter: „Wenn man genau hinschaut, dann sieht man, dass es bei uns Spieler gibt, die ihr Potenzial nicht punktgenau abrufen können.“ Dabei dürfte er auch auf Kapitän Benny Lauth abzielen (siehe Text unten). Stoffers sarkastisch: „Für diese Spieler wäre es am besten, wenn sich der Spielplan nach ihnen richten würde – und nicht umgekehrt.“
DIE FANS TOBEN
Die Geduld und Leidensfähigkeit der 1860-Anhänger scheint aufgebraucht zu sein. Rund 1000 Blaue waren am Bornheimer Hang dabei. Erstmals verspotteten sie in Sprechchören ihre eigene Mannschaft: „Wir fahren weit, wir fahren viel, wir verlieren jedes Spiel.“ Dazu gab gab es „Lienen raus!“-Rufe.
Dass der Trainer nach dem Abpfiff in die Kurve kam, konnte die Anhänger nicht beruhigen. Lienen: „Ich verstehe die Fans, dass sie ausrasten, die Mannschaft und mich beschimpfen.“ Verteidiger Torben Hoffmann entschuldigt sich: „Mir tut das so leid für die Fans, ich habe Tränen in ihren Augen gesehen.“ Nur Hoffmann, Jose Holebas und Alexander Ludwig haben sich in Frankfurt an den Zaun getraut. Hoffmann: „Wir waren nur zu dritt in der Kurve – das ist zu wenig.“ In der Mannschaft ist man offenbar uneins.
DER TRAINER SCHWIMMT
Langsam gehen dem erfolglosen Lienen (drei Siege in zwölf Spielen) die Argumente aus. Nun klagt er: „Ich habe keine ausgewogene Mannschaft.“ Für deren Zusammenstellung ist Sportdirektor Miki Stevic verantwortlich. Allerdings hat Lienen die Verpflichtungen von Mitläufern wie Charilaos Pappas, Ardijan Djokaj, Alexander Ludwig oder auch Radi Felhi mitgetragen. Jetzt gerät Lienen unter Druck, auch wenn Geschäftsführer Stoffers beschwichtigt: „Wir suchen jetzt kein Bauernopfer. Ich bin vom Trainer überzeugt, weil ich die Ursache der Malaise nicht bei ihm sehe. Wir halten dem Trainer den Rücken frei.“ Wie lange noch? Oliver Griss