Präsident Robert Reisinger gegen alle: Die Machtkämpfer beim TSV 1860

München - Man könnte dieser Tage trefflich über die fehlende Effizienz im Angriffsspiel des TSV 1860 diskutieren oder die wiederkehrend teuer bezahlten Mängel in der Defensive. Man könnte zudem darüber streiten, welches Potenzial in dieser runderneuerten Mannschaft steckt, ob sie auf einem guten oder eher schlechten Weg ist, ob sie sich nach und nach findet oder wie viel Zeit noch nötig ist und wie viel Geduld all das in Anspruch nimmt. Wenn da nicht Robert Reisinger wäre.
Der Löwen-Präsident hat vor dem 1:2 gegen Aue gehörig Staub aufgewirbelt – mit einem kräftigen internen Nachhall. Als vollkommen kontraproduktiv empfinden das abrechnerische "Bild"-Interview des Vereinsbosses nicht nur Einzelne. Auch die Schlussfolgerung, dass Reisinger (59) sich mit seinen Anmerkungen zur Sportchef-Suche und Kaderzusammenstellung weiter isoliert hat, findet ziemlich viel Zustimmung.
Präsident Robert Reisinger sorgt für Irritation, Vize Hans Sitzberger ruft TSV 1860 zu Geschlossenheit auf
Welche Folgen die Einlassungen Reisingers für das ohnehin äußerst angespannte Binnenverhältnis an der Grünwalder Straße 114 haben, ist noch nicht absehbar. Mitte September tritt der Verwaltungsrat des e.V. zusammen und wird an diesem Thema nicht vorbeikommen. Ob sich die Beteiligten aber vorher für ein klärendes Gespräch an einen Tisch setzen – unklar.
Vizepräsident Hans Sitzberger hat die blauen Alleingänge jedenfalls satt und fordert in der AZ alle Seiten endlich zur Geschlossenheit auf. "Ich verstehe nicht", sagt der 70-Jährige, "warum die Dinge nicht intern mit allen Beteiligten geregelt werden können und man danach gemeinsam nach außen tritt. So wie im Moment können wir nicht weitermachen."
TSV 1860: Robert Reisinger attackiert Marc-Nicolai Pfeifer – doch der erhält Rückendeckung
Seit Monaten schwelt ein Disput um die Nachbesetzung von Sportchef Günther Gorenzel. Reisinger fühlt sich übergangen, nachdem sein Favorit Horst Heldt nicht zum Zug kam. Es geht seiner Ansicht nach um Gespräche zur Sache, die auch von der Geschäftsführung gezielt verschleppt worden seien. Mit der Absicht, die Kaderplanung in Eigenregie durchzuführen. "Ein neuer sportlicher Leiter hätte dabei nur gestört", war einer der Reisinger-Sätze mit Sprengkraft.

Es kommen vor allem die Ismaik-Seite und Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer nicht gut weg. Auch Aufsichtsratschef Saki Stimoniaris, der dort auch die Interessen der Investorenseite vertritt, will das wie Sitzberger nicht stehen lassen, verteidigt Pfeifer.
"Er macht einen hervorragenden Job. Ich würde mit ihm gestern schon verlängern, wir sind finanztechnisch auf einem sehr guten Weg", erklärt er im Podcast "Radis Erben": "Ich bin enttäuscht vom Inhalt des Interviews und kann nur mit dem Kopf schütteln."
Sportchef-Suche beim TSV 1860: Reisinger liebäugelt mit Thomas Hitzlsperger
So entsteht der Eindruck, dass Reisinger mit allen auf Kriegsfuß steht. Und die Löwen so in einen wieder einmal untragbaren Konfliktzustand befördert. Alle Rücktrittsgerüchte verwies Reisinger aber ins Reich der Fabel, stattdessen präsentierte er sich nach monatelanger, berufsbedingter Absenz als tatendurstig.
An einem endgültigen Bruch ist auch Sitzberger trotz der aktuellen Differenzen nicht gelegen. "Wir sollten uns einigen und wieder zusammenkommen", betont der Vize, den viele als Herz und Seele des Vereins sehen. Damit das gelingt, wird ein gehöriges Maß an Kompromissbereitschaft vonnöten sein.
Parallel läuft die Suche nach einem Sportchef weiter. Derzeit gilt Christian Werner (42), Chefscout von Waldhof Mannheim, als chancenreich. Reisinger findet den wesentlich bekannteren Thomas Hitzlsperger (41) eine "sehr interessante Option". Ob und auf wen die Löwen sich letztlich einigen (können), Sitzberger stört vor allem etwas Grundsätzliches: "Es geht immer nur um die Personen und deren Befindlichkeiten, nie um die eigentliche Sache, nämlich um Sechzig." Traurige Realität.