Peter Grosser: „Große Sorge um Sechzig“

München - Er erinnert sich noch an ruhmreiche Zeiten des TSV 1860 - weil er live dabei war: Peter Grosser, Meisterlöwe von 1966, spricht über die aktuelle Misere der Sechziger und erklärt, worauf es im Abstiegskampf ankommt.
AZ: Herr Grosser, zuletzt gab’s zwei Pleiten in zwei Spielen für die Löwen. Sind Sie in Sorge um Ihren Herzensverein?
Peter Grosser: Freilich mache ich mir große Sorgen. Ich bin bei jedem Heimspiel und zittere jedes Mal mit. Das will doch keiner, dass Sechzig in der Dritten Liga spielt.
Momentan sieht es so aus, als würde es richtig eng werden im Abstiegskampf. Trainer Torsten Fröhling hatte zuletzt gesagt, er habe keinen Männerfußball gesehen. Können Sie nachvollziehen, dass Fröhling seine Spieler nach der Braunschweig-Pleite zum ersten Mal zusammengefaltet hat, anstatt sie in Schutz zu nehmen?
Ja. Diese Kritik hätte ich schon nach dem Spiel gegen Erzgebirge Aue erwartet. Wenn ich gegen die schwächste Auswärtsmannschaft und – nach deren eigener Aussage – ihrem schlechtesten Spiel zuhause 0:1 verliere, kann ich nicht von einem sehr guten Spiel reden und darauf aufbauen. Man braucht sich nicht wundern, wenn dann ein solcher Auftritt wie in Braunschweig folgt. Die richtige Selbsteinschätzung ist Voraussetzung für künftige Erfolge. Es geht nur über den absoluten Kampf ins Spiel zu finden.
Was muss sich denn Ihrer Meinung nach ändern, um diese Erfolge zu feiern?
Sie müssen die Heimspiele anders angehen als zuletzt. Nur zwei Heimsiege? Puh. Es kann doch nicht sein, dass die Gegner in dieses Stadion kommen – und frech aufspielen. Das muss eine Festung sein! Nicht spielerisch glänzen wollen, sondern ab sofort den absoluten Abstiegskampf annehmen, heißt es jetzt. Das hat man für mich noch immer nicht gesehen. In die Zweikämpfe werfen, den Gegner schon bei der Ballannahme stören und – was ganz entscheidend ist –, das Spiel ohne Ball in der Offensive. Es sind bei einem Angriff meist fünf, sechs Spieler beteiligt. Man muss ganz vorne im Sprint in den Strafraum gehen, die Tore unbedingt machen wollen. Dann fallen sie auch. Vorne wie hinten: Kein Schritt und kein Sprint dürfen zu viel sein. So, wie der FC St. Pauli vor acht Tagen 4:0 gegen Fortuna Düsseldorf – das war Abstiegskampf pur!
Pauli hat aber eine Woche später wieder 3:0 verloren…
Gegen wen doch gleich?
Gegen den Karlsruher SC.
Entschuldigen Sie mal: Die sind für mich Aufstiegsfavorit. Da kannst du mal verlieren, auch so hoch. Aber nicht gegen Mitkonkurrenten um den Abstieg.
Wo wir schon über Düsseldorf und den KSC sprechen: 1860 muss gegen beide noch ran, ansonsten geht‘s nur gegen Teams aus dem Tabellen-Mittelfeld, für die es um nicht mehr geht. Ein Vorteil oder nicht?
Das wäre ein Trugschluss. Jeder, der aufs Spielfeld geht, will gewinnen. Für alle gibt es eine Siegesprämie, für jeden Verein einen finanziellen Vorteil. Dort braucht man keine Hoffnung schöpfen, das wäre weltfremd. Dazu fällt auch ein Beispiel ein…
Erzählen Sie es uns!
Ich habe in Unterhaching, damals in der Zweiten Liga kurz als Trainer ausgeholfen. Wir haben zwei Runden vor Schluss in Freiburg gespielt, die waren schon Meister. Wir dachten: Die nehmen es nicht mehr ernst – April, April! Das Gegenteil war der Fall. Sie haben das beste Spiel der ganzen Saison gemacht, uns 4:2 geschlagen und wir sind damals als Siebtletzter abgestiegen. Das war das einzige Mal, dass ich abgestiegen bin. Ich hoffe, Sechzig lässt das jetzt lieber bleiben.
Die Löwen vermissen derzeit ihren Top-Torjäger Rubin Okotie, am Dienstag sollte er eigentlich ins Training einsteigen, wurde aber von den Ärzten wieder zurückgepfiffen.
Das ist natürlich schade, er fehlt der Mannschaft. Man hat ja gesehen, dass Sechzig Probleme hat, Tore zu schießen. Gerade zuhause. Ich glaube aber, dass Okotie in dieser Saison noch helfen wird. Er ist ein absoluter Goalgetter. Einer, der im Strafraum da steht, wo er stehen muss. Wenn es die Fitness erlaubt, braucht der keine Eingewöhnung mehr. Aber auch ohne ihn: Ich bin davon überzeugt, dass die Jungs gegen Bochum eine Reaktion zeigen. Ich bin für die letzten Spiele sehr optimistisch und bin sicher, dass die Löwen drin bleiben.