Peter Grosser: Dank der AZ ein Löwe

Der Meister-Kapitän des TSV 1860 spricht über die Saison, Querelen mit Trainer Merkel, die Feier – und verrät, warum er vom FC Bayern zum Erzrivalen wechselte.
von  Interview: Matthias Eicher
Der Kapitän geht voran: Peter Grosser (vorne rechts), neben ihm Bernd Patzke.
Der Kapitän geht voran: Peter Grosser (vorne rechts), neben ihm Bernd Patzke. © imago/AZ

München - Alt-Löwe und Meister-Kapitän Peter Grosser spricht in der Abendzeitung über die legendäre Saison des TSV 1860.

AZ: Herr Grosser, am Samstag jährt sich der Tag des einzigen Titelgewinns der Löwen zum 50. Mal. Bei den Fans ist der Triumph unvergessen, wie Sie vergangene Woche durch eine große Choreographie beim X-Tausend-Spiel der U21 im Grünwalder erleben durften.

PETER GROSSER: Das ging unter die Haut, als die Fans in der Stehhalle die riesengroße Meisterschale ausgerollt haben. Gänsehaut pur! Auch meine Kollegen Fredi Heiß, Bernd Patzke, Hans Reich und Hans Rebele waren völlig von den Socken. Es ist uns ein Anliegen, allen Beteiligten zu danken. Das alles auch noch im Sechzgerstadion – da wurden Erinnerungen wach.

 

Erinnerungen an den größten Erfolg der Vereinsgeschichte.

Das Größte, was wir selbst – und auch Sechzig überhaupt – erreicht haben im Fußball. Abgesehen vom Europapokal-Finale der Pokalsieger. Mit dieser Mannschaft deutscher Meister zu werden: Man sieht ja, das ist nach 50 Jahren noch immer unvergleichlich.

 

Als Kapitän durften Sie die Schale als Erster in die Höhe stemmen. Ihr ganz persönliches Highlight?

Nein, erstaunlicherweise nicht. Bei der Übergabe gab es keinen großen Jubel. Eher Erleichterung. Wir hatten die Meisterschaft schon verloren geglaubt, bevor wir es im Endspurt nochmal umbiegen konnten.

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Sie meinen das direkte Duell mit Borussia Dortmund am vorletzten Spieltag, als Sie gewinnen mussten. Torschütze zum 2:0-Endstand: Peter Grosser. Sind wir jetzt bei Ihrem Höhepunkt angelangt?

Ja. Wir mussten zwar am 34. Spieltag gegen den HSV (1:1) punkten und haben das auch getan, aber im Nachhinein war das wahnsinnige Spiel beim BVB die Vorentscheidung. Was waren wir dort nervös! Ich bin froh, dass ich mir diesen schönen Treffer aufgespart habe. Von der Entstehung her, als ich drei, vier Gegenspieler ausspielen konnte und ihn dann ins Kreuzeck jagte – und auch von der Wichtigkeit: Das war das schönste Tor meiner Karriere.

 

Dank des Punktes gegen den HSV und der 1:4-Pleite des BVB in Frankfurt stand fest: Die Löwen sind durch. Wie erinnern Sie sich an die Meisterfeier?

Eine große Feier gab es nicht. Nach dem Spiel waren wir ziemlich kaputt. Dann gab es den Korso vom Grünwalder zum Marienplatz. Es hat ziemlich geschüttet und wir fuhren in offenen Autos, also wurden wir ordentlich nass. Realisiert hat man das Ganze erst ein paar Tage später. Eine Bierdusche für Trainer Max Merkel gab es auch nicht. Das war damals undenkbar und der Respekt viel zu groß.

 

Merkel galt als knallharter Schleifer, nicht nur einmal krachte es zwischen ihm und dem Team. Welchen Einfluss hatten Sie als Kapitän auf seine Methoden?

Man hatte außerhalb des Platzes bei weitem nicht so viel zu sagen wie heute. Als Spielführer hatte ich die Verantwortung auf dem Rasen: Coaching an der Seitenlinie gab es kaum, ich habe je nach Stärke des Gegners die Taktik vorgegeben. Zu Saisonbeginn kam unser Neuzugang Timo Konietzka, der Merkel schon aus Dortmund kannte, zu mir und meinte: „Wir müssen unbedingt mit dem Trainer reden.“ In einem Sechs-Augen-Gespräch haben wir ihn gebeten, nicht so hart zu trainieren, dass wir in den ersten Spielen kaputt sind. Überraschenderweise hörte er darauf. Am ersten Spieltag standen wir gleich den Bayern gegenüber, die frisch aufgestiegen waren. Keine Minute war vorbei, da schoss Konietzka schon das erste Tor. Der Sieg gab uns Auftrieb.

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In der Winterpause hat Sie Merkel nicht mehr erhört: Das Training wurde härter…

Im Dezember waren wir klarer Favorit und vier Punkte voraus. Merkel hat schon Wetten abgeschlossen, dass wir mit acht Zählern Vorsprung Meister machen. Dementsprechend hat er uns auch über den Platz gescheucht. Dann haben wir das erste Spiel gegen Bayern 0:3 verloren, eine katastrophale Rückrunde gespielt. Bei Merkel war es so: Er ließ nach Lust und Laune trainieren. Und die war nie rosig, wenn wir verloren haben. Einmal wollte er mich als Kapitän absetzen, aber weil sich meine Kollegen weigerten, die Binde zu übernehmen, bin ich es doch geblieben.

 

Wo Sie schon über die Bayern sprechen: Sie haben von 1958 bis 1963 bei den Roten gespielt – und gingen trotz einer Vereinbarung zu den Blauen.

Richtig. Es gab ein Agreement zwischen den Klubs. Das wurde aber aus einem finanziellen Grund gebrochen.

 

Als da wäre?

1963 wurde die Bundesliga eingeführt. Der DFB gab dazu Richtlinien heraus: Wenn ein Spieler zu einem Zweitligaverein wechselt, darf die maximale Ablösesumme 12 000 Mark betragen. Bei einem Erstligaverein waren es 50 000 Mark. Es war im Gespräch, dass ich zum damaligen Zweitligisten Düsseldorf gehe. Dann hätten die Bayern nur 12 000 Mark bekommen. Daraufhin sagte ein damaliger AZ-Reporter zu Merkel: Mensch, seid’s doch nicht so blöd, dass so ein Guter wegen dieser Abmachung aus München weggeht. Ich wollte aber gar nicht aus München weg, das war nur eine Ente. Dann hat 1860 angefragt. Die Abendzeitung ist schuld, dass ich bei Sechzig gelandet bin.


Am Freitag: Radi Radenkovic, das Porträt eines Superstars.

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