Nur noch 97: Ist der TSV 1860 schon aufstiegsreif?
München - Der TSV 1860 und Größenwahn, das ist so eine Geschichte. Der einzige Meistertitel im Jahre 1966 hievte die Sechzger früh zu den Granden des deutschen Fußballs empor. Danach begann, wenn man die Frechheit besitzt - oder alternativ ein mittelschweres Platz-Problem, die nachfolgende Historie dieses Traditionsvereins in einem Halbsatz zu erklären -, eine rasante Achterbahnfahrt voller Höhen und Tiefen.
"Für die einen geht es eigentlich nur darum, wann wir die 100 Punkte schaffen. Der Aufstieg ist eh klar", meinte Köllner vor dem Auftaktduell seiner Löwen gegen die Würzburger Kickers süffisant über die gewohnt große Erwartungshaltung im Umfeld der Blauen.
Der Auftakt ist gelungen
Der andere Teil wolle Sechzig "auf die Schnauze fliegen" sehen. Fünf Tage und ein 1:0-Premierensieg später steht fest: Der Auftakt ist den Sechzgern gegen den Zweitliga-Absteiger mit Glück, Geschick und der Giesinger Fanpower des zwölften Mannes im Rücken gelungen. Nicht mehr, nicht weniger. Dennoch lassen sich einige erste Erkenntnisse ziehen, weshalb es in dieser Saison endlich klappen könnte mit der ersehnten Rückkehr in den (echten) Profifußball.
Die AZ wagt einen ersten Ausblick.
Schwung des gelungenen Auftakts: Baumeister Köllner zeigte sich nach dem ersten dreifachen Punktgewinn enorm erleichtert. Auch, wenn er es ein Stück weit weglächelt: Nach AZ-Informationen gefällt dem 51-Jährigen gar nicht, dass seine Sechzger von allen Seiten so klar in die Favoritenrolle gedrängt werden. "Es war unglaublich wichtig, dass wir gewonnen haben." Nach erstem Schockmoment und der frühen Führung hätte seine Elf "zu denken angefangen", was den Würzburgern Raum zur Entfaltung gegeben habe. Unter dem Strich stand dennoch ein verdienter Dreier, der die Löwen-Brust gleich vom Startschuss weg breiter macht. Gute Voraussetzungen, um das schwere Start-Programm (Wehen, Türkgücü, Lautern, Viktoria Köln und Eintracht Braunschweig) zu bewältigen.
Köllner: "Jeder hat meine Anweisung umgesetzt"
Die Rückkehr des zwölften Mannes: Die 3.736 Fans seien in den Ohren Köllners so laut gewesen, wie erhofft: "Den Unterschied zum ausverkauften Grünwalder Stadion hat man nicht gespürt, ob es 5.000 oder 10.000 waren." Lachend ergänzte der 51-Jährige: "Ich habe ja in der Pressekonferenz gesagt, dass jeder Fan für vier oder fünf schreien soll. Ich muss sagen: Jeder hat meine Anweisung verbindlich umgesetzt." Plärrt die Anhängerschaft so weiter, setzt es für 1860 sicher den ein oder anderen Extra-Punkt, der im Endspurt der letzten Spielzeit womöglich gefehlt hat.
Eingespielte Sechzger: Die Qualität stimmt beim TSV, das zeigen sämtliche Statistiken der Vorsaison. Nun soll auch noch die entscheidende auf dem Tableau stimmen, die Punkte.
Abläufe und Automatismen lassen sich mit so vielen verbliebenen Leistungsträgern von Torhüter Marco Hiller über Abwehr-Säule Stephan Salger, Spielmacher Richy Neudecker und Torjäger Sascha Mölders und so wenigen Veränderungen leichter aufbauen als nach einem Umbruch. Einfacher haben es so auch Ersatzspieler wie Tom Kretzschmar, in die Bresche zu springen. Köllner ist von der Stärke seiner Elf überzeugt: "Wir haben eine gute Mannschaft, die auch ein 0:1 drehen kann."
Sechzig-Trainer mit Bär und Deichmann zufrieden
Funktionierende Neuzugänge: Marcel Bär schoss 1860 bekanntlich zum Sieg. Bär-enstark auch seine zweite Großchance, als er einen etwas zu weit in den Rücken gespielten Pass von Merveille Biankadi mit einem Kontakt in seinen Lauf legte und lupfte, so dass Ex-Löwe Hendrik Bonmann nur mit Glück und seinem Kopf klären konnte. Köllner bezeichnete den dynamischen Angreifer als "Schlüsselspieler", der an der Seite von Mölders noch ganz wichtig werden kann. Auch Yannick Deichmann machte auf rechts ein starkes Spiel. Das Köllner-Urteil: "Ich war mit beiden Spielern sehr zufrieden." Zwei Neu-Löwen, die sofort funktionieren: auch ein Pluspunkt. Bei Kevin Goden bleibt abzuwarten, wie der dritte Neue im Bunde performt.
Ruhe statt Turbulenzen: Kein Scheichlied, keine Machtkämpfe, kein Chaos. Das sportliche Fußball-Fest war auch in dieser Hinsicht wertvoll, um den Giesinger (Burg-)Frieden zu bewahren. "Liebe Löwen, auf euch ist auch in der neuen Saison Verlass. Ich wusste um die Schwere der Aufgabe, umso mehr freue ich mich, dass ihr unseren Angstgegner Würzburg mit 1:0 besiegt habt", schrieb Investor Hasan Ismaik in den Sozialen Medien: Danke allen, die mitgeholfen haben."
Gemäß der (scherzhaften) Köllner-Rechnung bleibt schlussendlich die Erkenntnis: Nur noch 97 Punkte, dann sind die Sechzger dreistellig - und ganz sicher auch zweitklassig. Doch auch für etwas realistischere Rechenszenarien gilt: Der Anfang ist gemacht.