Nur Kurz bremst die wilden Kerle
Die Jungstars trumpfen auch in Osnabrück auf. Doch der 1860-Trainer sagt: „Uns fehlt Qualität.“
OSNABRÜCK Zufrieden sah er aus. Stefan Reuter stand lächelnd am Spielfeldrand und blickte hinüber zur Westkurve des Stadions an der Bremer Brücke. Aus der Ferne beobachtete der 1860-Sportdirektor, wie seine jungen Löwen mit den Fans feierten: Das 2:0, den ersten Sieg des TSV 1860 in Osnabrück überhaupt, dank der Treffer von Nikolas Ledgerwood und Benny Lauth. „Ich bin beeindruckt. Das war heute doch herrlich", sagte der glückliche Reuter, „die Fans haben wieder Spaß mit uns – und das hat absolute Priorität.“
Die Stimmung bei den in grün-gelb angetretenen Blauen war endlich wieder so richtig ausgelassen. Auch die Tatsache, dass sich Reservist Jose Holebas, spät für Lauth eingewechselt, die Kapitänsbinde einfach keck selbst überstreifte, anstatt sie weiterzureichen, sorgte für Heiterkeit. Reuter süffisant: „Das wird teuer für Jose."
Es durfte gelacht werden. Schließlich hatten die Sechzger eine Serie von drei Siegen hintereinander in der Zweiten Liga zuletzt im Sommer 2007 erlebt. Damals war der Klub Spitzenreiter. 1860 liegt jetzt, nach dem völlig verpatzten Saisonstart, mit 13 Punkten auf Platz neun. Bis zum dritten Platz (derzeit Mainz 05), der zu den Aufstiegsspielen berechtigt, fehlen noch fünf Punkte.
Geht es nach den beiden Torschützen der gestrigen Partie, wird am Mittwoch im Heimspiel gegen Koblenz (17.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) nachgelegt. Ledgerwood jedenfalls sagte: „Wir wollen zeigen, dass wir nach oben gehören." Und Lauth, der bereits sein viertes Saisontor – diesmal per Kopf – erzielte, fügte an: „Es macht einfach tierischen Spaß bei 1860.“
Und das, obwohl Stars wie Daniel Bierofka (Bandscheiben-Operation) oder der gekündigte Kokain-Sünder Berkant Göktan (hält sich weiter in Istanbul auf) abgehen. Doch Ledgerwood hatte eine Erklärung parat. „Wir jungen Spieler", sagte der 23-Jährige, „wollen beweisen, dass wir in die Zweite Liga gehören." Gestern lag der Altersdurchschnitt der Löwen-Elf bei 23,5 Jahren. Der TSV 1860 bot mit Sven Bender, Timo Gebhart, Manuel Schäffler (alle 19) sowie Fabian Johnson (20) aktuell die jüngste Mannschaft der Liga auf. „Wenn man die Namen und das Alter sieht“, sagt Ledgerwood, „denkt man schon, dass da fast die U23 spielt."
Die wilden Kerle der Löwen: Jung, willig, erfolgreich – und durch nichts zu beeindrucken? Selbst eine Mannschaft, die die letzten 27 Heimspiele bei Flutlicht nicht verloren hatte – und gestern Nachmittag brannte bereits das Flutlicht im herbstlichen Osnabrück – macht ihnen keine Angst. „Wir haben den Glauben zurückgeholt", sagte Reuter und forderte: „Wir dürfen jetzt nicht nachlassen.“
Doch genau damit rechnet offenbar der Trainer. Während Ledgerwood und Co. vor Selbstvertrauen strotzen, bremst Marco Kurz – und baut für etwaige Rückschläge bereits vor. „Es wird immer wieder zu Schwankungen kommen“, sagte der zweifelnde Coach, „wir wissen, dass uns Qualität fehlt.“
Oliver Griss