Neururer: "Die Löwen sind unberechenbar"
AZ: Herr Neururer, der VfL Bochum muss am Mittwoch im DFB-Pokal-Achtelfinale beim TSV 1860 ran.
PETER NEURURER: (lacht) Da meinten Sie wohl: Was liegt näher, als Neururer anzurufen. Stimmt! Ist ja normal bei mir, als altem Bochumer. Und ein Löwen-Sympathisant bin ich auch. Als Fußball-Nostalgiker und Romantiker muss man ja von den 60ern träumen: Ein Traditionsverein mit riesengroßem Potenzial. Schießen Sie los.
Wie schwer ist das Pokal-Los denn aus Löwen-Sicht?
Rein faktisch gesehen ist es ja ein Heimspiel gegen ein Team aus derselben Liga, das man gewinnen sollte. Und eine Riesen-Chance, die im Augenblick katastrophale Saison vor der Winterpause zumindest ein bisschen abzurunden. 1860 hat bisher mit Hoffenheim und Mainz zwei Erstligisten rausgekegelt.
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Waren das im Vergleich "dankbarere" Aufgaben als nun Ihr Ex-Klub?
Es war mit Sicherheit nicht leichter. Klar, in den ersten Pokalrunden ist bekanntlich alles möglich. Hoffenheim ist womöglich zu leichtfertig nach München gefahren. In Mainz haben ein paar Zufälle dazu beigetragen, dass die Löwen gewonnen haben, hauptsächlich die Rote Karte. Verdient war's trotzdem, finde ich, das haben sie gut gemacht. Jetzt wird’s mehr ein Kampfspiel. Das hat für beide Teams einen sehr hohen Stellenwert. Der ist wahnsinnig hoch! 1860 könnte eine bessere Stimmung im Abstiegskampf dringend brauchen, Bochum mit etwas Selbstbewusstsein nach der Winterpause oben angreifen. Und finanziell geht es auch um eine Stange Geld. Bei Bochum weiß ich, dass die 3. Runde nicht im Etat eingeplant ist, bei Sechzig sicher auch nicht. Die können zusätzliche Einnahmen dringend gebrauchen, auch für Verstärkungen im Winter. Dazu die Hoffnung auf den Einzug in die nächste Runde – das wäre für beide Vereine ein schönes Weihnachtsgeschenk.
Trainer Peter Neururer (60) gilt als Feuerwehrmann im deutschen Profifußball. Er trainierte den VfL Bochum von 2001 bis 2005 und von 2013 bis 2014.
1860 tendiert ja vor wichtigen Spielen ganz gerne dazu, einzuknicken. Haben die Löwen denn ein Druck-Problem?
Das ist ein Grund-Problem von Mannschaften wie 1860. Der Name ist großartig und steht in keiner Relation zu dem, was derzeit abgeliefert wird. Es ist für jedes Team ein Highlight, in München zu spielen. Du kannst gar keine Heimstärke entwickeln, wenn du immer in einem Stadion spielst, in dem zwei Drittel frei bleiben. Das ist ja demoralisierend. Mit Benno Möhlmann hat kürzlich ein neuer Trainer übernommen, aber mit zwei Liga-Heimpleiten in Folge den ersten Rückschlag erlitten. Es tut bei der Betrachtung der Tabelle weh. Es sei denn, man ist selbst dieser Liga zugehörig und kämpft gegen die Löwen um den Klassenerhalt. Für die Sechziger ist primär die Liga wichtig, es wird leider schwer genug, da unten rauszukommen. Aber ich habe vollstes Vertrauen in Möhlmann. Er ist absolut dazu imstande, den Klassenerhalt zu schaffen.
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Was glauben Sie: Wen erwischt‘s im Abstiegskampf?
Klar, dass Duisburg die schlechtesten Karten hat, der Abstand zu den Relegationsplätzen ist groß. Aber es gibt eine ganze Menge Kandidaten: Das geht hoch bis Platz zwölf. Paderborn hat sicher nicht damit gerechnet, da unten zu stehen und jetzt ein Riesen-Problem.
Bochum hat sich nach sechs Heimspielen ohne Sieg beim 4:0 gegen Paderborn rechtzeitig vor dem Pokalspiel aus der Krise geschossen. Gegen eben jene Paderborner haben die Löwen kürzlich 4:4 gespielt. Ein Inbegriff von Sechzigs Unberechenbarkeit?
Kann man so sagen. Die Löwen sind absolut unberechenbar. Die Konstanz fehlt eben. Wenn sie einmal die Konstanz auf einem Niveau erreichen würden, das nur ein klein wenig höher ist, würde es sie sofort aus dem Keller führen. Möhlmann arbeitet daran, das Team in der Gesamtheit voranzubringen.
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Und: Wie geht das Spiel aus?
Vor dem tollen Auftritt der Bochumer gegen Paderborn und der Löwen-Pleite gegen Heidenheim hätte ich gesagt, dass Sechzig gewinnt. Jetzt glaube ich, dass Bochum weiterkommt. Ich rechne auf jeden Fall mit einem sehr engen Spiel: 2:1 für Bochum nach Verlängerung.
Interview: Matthias Eicher