Nachhilfe bei den Freibeutern

Löwen-Bosse nutzen das Auswärtsspiel in St. Pauli auch zum Anschauungsunterricht in Sachen Marketing. „Da passt alles”
München - Als Geschäftsführer des TSV 1860 kommt Robert Schäfer recht viel rum. Als er neulich also mal wieder in Hamburg war, sah er einen Porsche. „Da klebte ein St.-Pauli-Aufkleber drauf, da hab' ich mir gedacht, das passt doch irgendwie nicht”, sagt er.
So ein wenig zweifelt zwar auch Marketing-Profi Schäfer am uneingeschränkten Kult-Image des nächsten Löwen-Gegners (Sonntag, 13.30 Uhr, Sky und Liga total live), und doch sagt er voller Überzeugung: „St. Pauli ist für uns ein Vorbild, weil sie es hochprofessionell schaffen, Kult und Kommerz unter einen Hut zu bringen. Da ist alles authentisch.” Auch Vereins-Aufsichtsratsboss Otto Steiner meint: „Wenn ein Verein bundesweit als cool angesehen wird, dann kann man sich von dem einiges abgucken.”
Steiner selbst war unter der Woche völlig begeistert, als er seine bestellten zehn Stehplatztickets für das Spiel bekam. „Allein die Karten sind so kultig gemacht, dass man sie sich an die Wand hängen möchte. Der Totenkopf ist nach wie vor ein geiles Motiv. Wir müssen begreifen, dass wir unseren Löwen viel besser verkaufen können. Der ist als Symbol doch noch viel attraktiver", glaubt er. Und so wird das Auswärtsspiel auch zur Nachhilfestunde in Sachen Marketing. Die Löwen wollen ein eigenes Markenbild weiterentwickeln, dabei aber authentisch bleiben. Steiner: „Es geht darum, das eigene Potenzial zu nutzen, um neue Erlösquellen zu schaffen. Das können wir uns dort ganz konkret abschauen.” Bei St. Pauli, das sich gerne als Freibeuter der Liga stilisiert, passe jedes Puzzleteil ins andere, meint Schäfer. „Sie haben Mini als Werbepartner und nennen ihre Logen Separee. Alles passt in das Erscheinungsbild. Das ist sehr gelungen.”
„Wir sind nicht nur Party"
Und doch gibt es auch erhebliche Unterschiede, vor allem im sportlichen Bereich. „Wir sind nicht nur Party, bei uns geht's um ernsthaftes Fußballgeschäft. Wenn St. Pauli in der Ersten Liga spielt, dann sehen die das als Pause von der Zweiten Liga. Bei uns ist das nicht so, bei uns muss die Erste Liga Anspruch sein. Wir waren mal Deutscher Meister.” Der aber ohne die Millionen von Investor Hasan Ismaik im Frühjahr fast pleite gegangen wäre. St. Pauli hat die Rettung einst vor allem mit der Hilfe der Fans, Uli Hoeneß (das „Retter-Spiel” und die „Retter-Shirts” sind unvergessen) und diverser Gönner geschafft. Darauf sind sie stolz in Hamburg. Genau so wie auf die Tatsache, dass auch das modernisierte Millerntor-Stadion noch immer ohne Namenssponsor auskommt. Ein externer Investor auf Pauli scheint undenkbar – allein schon wegen der linken Sponti-Identität des Klubs. Oder etwa nicht? „Langfristig werden solche Modelle, für das wir eine Pionierfunktion übernommen haben, sowieso Einzug nehmen. Ich kann nur hoffen, dass es St. Pauli nicht wie uns aus finanzieller Not betrifft”, meint Steiner. Schäfer ergänzt: „Wir hatten Glück, dass unser Partner kein komischer Selbstdarsteller ist. Aber wenn das bei St. Pauli ein Millionär mit Rock’n’Roll-Hintergrund wäre, könnte ich mir das gut vorstellen. So ein Typ wie Mick Jagger, das würde doch gut passen.”
Allzu viele Gedanken um den nächsten Gegner will sich Schäfer aber nicht machen. „Wenn ich im Stadion bin, dann geht's nur um den Sieg für uns.” Mit einem Erfolg beim Zweiten könnten sich die Löwen oben festsetzen. Dafür müssten die Spieler aber mutiger auftreten als zuletzt auswärts in Düsseldorf (1:3). „Wenn wir so spielen wie in Düsseldorf, geht's nur um die Höhe unserer Niederlage”, sagt Trainer Reiner Maurer. Immerhin sind alle Verletzten wieder dabei.