Nach Sieg gegen Memmingen: Alles neu, alles Sechzig!

Die Löwen legen in der Regionalliga eine glänzende Premiere hin – und auch neben dem Platz zeigt sich der Krisen-Klub runderneuert. Von Team über Trainer bis zu den Fans: Darum läuft’s endlich.
von  Patrick Mayer
Feiern gemeinsam: Die Löwen-Profis, in der Mitte Timo Gebhart, bejubeln das 4:1 gegen Memmingen.
Feiern gemeinsam: Die Löwen-Profis, in der Mitte Timo Gebhart, bejubeln das 4:1 gegen Memmingen. © Rauchensteiner/Augenklick

München - Ein Spiel hat alles verändert. Der Abstieg? Spielte keine Rolle mehr. Dass die Löwen beinahe insolvent gewesen wären? Vergessen. Nach dem 4:1 zum Regionalliga-Auftakt beim FC Memmingen war Sechzig für viele endlich wieder eines: Sechzig. Das Bild des Abends: Die junge Mannschaft, die auf den Zaun geklettert war und mit den Fans feierte. Die Memminger waren Zeugen geworden, wie der TSV 1860 zu seinen Wurzeln zurückkehrte: Arbeiterverein, nah am Fan, hungrige Löwen. Die AZ erklärt das neue Sechzig.

Die Mannschaft

Sie ist schon jetzt eine Einheit mit ihren Fans. Daniel Bierofka hatte Löwen-Tugenden gefordert, sein Team hat das längst verinnerlicht. Früh ist klar, wer vorangeht: Mittelfeldspieler Timo Gebhart. Der 28-Jährige brach den Widerstand der Memminger, lieferte sich direkt vor der FCM-Tribüne eine Rangelei mit einem Gegenspieler.

"Ich war beim BSC Memmingen, das hier ist der FC Memmingen. Ihr wisst ja, wie das ist. Wenn ich das nächste Mal beim Einkaufen bin, fragen die, die hinter dem Zaun reingeschrien haben, ob sie ein Trikot haben können", sagte der Leader zu den Pöbeleien gegen ihn. "Mich hat das gepusht." Auf AZ-Nachfrage erklärte er zu seinem mindestens gelbwürdigen Schubser: "Was heißt Rangelei? Das war ein Windstoß, der ihn umgehauen hat. Halb so wild, so ist Fußball." Er bekomme den Jungen schon hin, meinte Bierofka. "Er war absolut engagiert."

Cool war Youngster Christian Köppel, als er sein Traumtor aus gut 30 Metern erzielte. "Dass der Köppi verrückte Sachen macht, habe ich schon immer gewusst", sagte Bierofka. "Das hätte ich mir nicht zugetraut." Der Chefcoach sprach von überragender Leidenschaft, "wir haben immer im richtigen Moment die Nadelstiche gesetzt. Wenn Memmingen dachte, sie würden aufkommen, haben wir zugeschlagen", meinte er. Köppel, Benjamin Kindsvater, Nicolas Andermatt – ihr Potenzial ist riesig.

Der Trainer

Bierofka ist endlich der Boss, nachdem er wiederholt Retter oder Assistent war. Jetzt zählt nur noch sein Wort. "Ich soll angespannt gewesen sein?", fragte er nach dem mit Spannung erwarteten Spiel. Unablässig stellt er sich vor seine Truppe. "Wo denn? Ich habe nichts gesehen", meinte er zu Gebharts Schubser genau vor der Trainerbank. Auf die Zielsetzung von Geschäftsführer Markus Fauser, der den Aufstieg forderte, reagierte er selbstbewusst: "Ich bin für den Sport zuständig, ich spreche zur Mannschaft. Ich kann sie einschätzen. Wenn wir griffig und bissig bleiben, haben wir gute Chancen."

Die Fans

Ihre Loyalität ist ein Faktor. "Es ist wichtig für die ganzen Jungen zu sehen, was es heißt, wenn wir gewinnen. Dann geben sie mehr Gas", sagte Gebhart. "Mein Verein, für alle Zeit", stand auf der riesigen Choreo. Genau so können die Löwen-Anhänger zu einer einmaligen Bereicherung für die Regionalliga werden. Die Polizei Memmingen lobte, dass es keinerlei schwere Zwischenfälle gegeben habe. Dabei war das Aufgebot der Bereitschaftspolizei riesig, samt Reiterstaffel aus München. Die Bilder vom Relegations-Rückspiel gegen Jahn Regensburg wirkten nach.

Doch diesmal lobte auch BFV-Präsident Rainer Koch. "Ich versuche, die Ultras ernst zu nehmen, sie zu verstehen und zu respektieren. Alle wollen dasselbe: Fußballfeste feiern", sagte er im Gespräch mit der AZ. "Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass der Respekt, den der FC Memmingen den Fans von Sechzig entgegengebracht hat, erwidert wurde. Die Löwen-Fans haben ihre Bereitschaft gezeigt, diese Liga anzunehmen." Ob es beim Heimspiel-Auftakt am gegen Wacker Burghausen auch so friedlich bleibt?

Der Verein

Markus Fauser hat für Ruhe gesorgt. Das sieht auch Bierofka so. "Der Herr Fauser hat einen überragenden Job gemacht. Das ist der beste Geschäftsführer seit Jahren, im Umgang, wie er das alles handhabt, ist überragend", erklärte der Löwen-Coach. "Deswegen würde ich mir wünschen, dass er länger dableibt. Leider wird es wohl nicht so kommen." Denn: Der Jurist ist von seiner Stuttgarter Kanzlei nur temporär engagiert. Sein Sanierungsjob ist aber noch nicht zu Ende. Das dürfte nicht nur seinen Trainer Freude.

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