„Müde vom Mittelmaß“
MÜNCHEN - Die Zuschauerzahlen beim TSV 1860 sind stark rückläufig. Gegen Aachen kamen nur 16250, schlechter war der Schnitt in der Allianz Arena nie. Lesen Sie hier, warum der Trend so negativ ist
Früher hat Petar Radenkovic seinen Termine nach dem Löwen-Spielplan ausgerichtet. Zuletzt aber blieb der Meistertorwart von 1966 der Allianz Arena zweimal fern. Seine Loge hat er bereits zum Saisonende gekündigt. Aus Desinteresse. Vom 3:2 gegen Ex–Bundesligist Alemannia Aachen, das nur 16250 Fans in der Allianz Arena sahen, erfuhr die Löwen-Legende in Belgrad am Handy. „Wir sind alle müde vom Mittelmaß, auch ich“, sagte Radenkovic der AZ. „Es geht bei 1860 um nichts mehr, weder um Auf- noch Abstieg. Die Löwen befinden sich im toten Winkel.“
Doch das ist es nicht allein, warum „Münchens große Liebe“, wie sich die Löwen gerne selber nennen, nicht mehr so recht zieht. Die AZ nennt die Gründe.
Sportliche Tristesse: Auch wenn Ewald Lienen fast täglich predigt, dass für ihn jetzt nur noch „Endspiele“ anstünden (womit er Spieler und Fans bei Laune halten will), sieht die Realität anders aus. Noch nie zuvor seit dem Bundesliga-Abstieg 2004 war die Ligazugehörigkeit schneller geklärt als in dieser Saison. Derzeit sind die Blauen Zweitliga-Neunter. „Wenn du um den Aufstieg spielst“, sagt Stadionsprecher Stefan Schneider, „hast du bei 1860 ganz andere Zuschauer-Zahlen.“ Spannend wird es für 1860 aber erst wieder im August – beim Liga-Start 2010/2011.
Die Attraktivität der Mannschaft: Die Fans sehnen sich nach Vorbildern, Identifikationsfiguren – doch weil Daniel Bierofka dauerverletzt ist, bleiben für die Anhänger mit Gabor Kiraly und Benny Lauth nur zwei Stars. Deswegen fordert Radenkovic: „1860 muss investieren – und zwar richtig. Wir brauchen einen Abwehrchef vom Niveau Sami Hyypiä
Das Ende des Stadion-Tourismus: Lag der Zuschauer-Schnitt im ersten Arena-Jahr 2005 noch bei 41371 Fans in Fröttmaning, ist die Quote nun rapide gesunken: Derzeit liegt der 1860-Schnitt bei 23145, ein Rückgang um 44 Prozent. Das Stadion ist nur zu einem Drittel ausgelastet. Die Alarmglocken schrillen an der Grünwalder Straße. „Wir können froh sein“, sagt Geschäftsführer Manfred Stoffers, „dass wir die Eintrittspreise letzten Sommer erhöht haben. So haben wir die Zuschauer-Einnahmen gegenüber der Vorsaison um knapp zehn Prozent erhöht.“
Der Zuschauer-Schwund in der Zweiten Liga: Stoffers merkt an, dass die gesamte Liga vom Zuschauerrückgang betroffen ist – auch weil attraktive Klubs wie Nürnberg oder Mainz fehlen. „Wenn ich in Bielefeld oder Karlsruhe auf der Tribüne sitze“, sagt der Geschäftsführer, „sehe ich überall fatal leere Ränge. Die Zuschauer-Entwicklung ist insgesamt nicht positiv.“ Zum FC Augsburg, derzeit im Aufstiegskampf zur Bundesliga, kommen im Schnitt nur 16111 Fans. Liegt’s an der Übersättigung oder der Wirtschaftskrise? Oliver Griss