Moritz Volz: Vom Olympia-Chaos nach München

1860-Profi Moritz Volz lebte elf Jahre in der Olympia-Stadt London. Jetzt schwärmt er von der neuen Heimat: „Eine tolle Stadt!"
von  Interview: Marco Plein
Löwen-Zugang Moritz Volz
Löwen-Zugang Moritz Volz © Rowohlt

Servus Herr Volz, Sie haben lange in London gelebt, dann Hamburg, jetzt München. Machen Sie's etwa nicht unter einer Million Einwohner?

Ach, ich bin ja eigentlich in der Provinz groß geworden, in Siegen. Als ich mit 16 nach London ging, war das ein Kulturschock für mich. Ich hatte dann Glück, über elf Jahre in London sein zu dürfen. Ich habe immer noch eine Wohnung dort. Hamburg hat sich so ergeben, St. Pauli war gerade aufgestiegen. Ich bin aber keiner, der ein bestimmtes Städteprofil im Kopf hat. Und jetzt München, da hatte ich Glück, wieder eine tolle Stadt getroffen zu haben.

Was macht denn München im Vergleich zu den anderen beiden Städten aus?

Anfangs fand ich München schwierig einzuordnen mit den ganzen Stadtteilen, die sich wie Dörfer anhören. Jetzt ist mein Eindruck: eine grüne Stadt mit vielen schattigen Plätzen als Fluchtorte, die Biergärten sind toll. Im Vergleich zu Hamburg ist die Architektur verspielter, und die Isar kommt mir vor wie ein riesiger Gebirgsfluss. Reingesprungen bin ich noch nicht, nur mal die Füße reingehalten, ich bin nicht der beste Schwimmer.

Auch wenn Sie München schon zu schätzen wissen, gerade jetzt wäre London sicher sehr spannend, die Olympischen Spiele stehen an.

Auf der einen Seite würde ich's gerne erleben. Auf der anderen bin ich froh, dass ich dem Chaos entgehe. London ist schon superhektisch, wenn keine Spiele sind, eigentlich braucht man keinen Groß-Event, um der Stadt Leben einzuhauchen. Trotzdem bin ich gespannt auf die Geschichten meiner Freunde in London.

Sie interessieren sich also auch für andere Sportarten?

Ja, für alles, was mir vor die Linse kommt. Letzte Saison in Hamburg waren wir sogar mal beim Dartturnier. Sonst schaue ich mir gerne Leichtathletik an. Gerade Olympioniken haben ja einen ganz anderen Trainingsablauf, wir Fußballer können uns Woche für Woche neu behaupten. Leichtathleten trainieren, quälen sich und verletzen sich dann womöglich. Das finde ich krass, da steckt eine ganz andere Psychologie dahinter.

Apropos Leichtathletik: Sind sind sehr muskulös, Sie könnten auch Zehnkämpfer sein.

Mein Spiel lebt vom Körperlichen. In England hatten wir viel Krafttraining, ich muss die Hanteln nur anschauen, schon schlägt es an. Aber man sammelt auch Erfahrung, und mittlerweile lege ich mehr Wert auf Geschmeidigkeit.

Trainer Reiner Maurer bezeichnet Sie als Spielertyp so: Kein Filigrantechniker, aber mit 100 Prozent Einsatz, trifft das zu?

Ganz falsch ist das nicht. Wenn ich noch die 1a-Technik hätte, würde ich hinter den Spitzen spielen – oder ganz vorne. Mein Spiel basiert auf Bereitschaft. Man schafft aber keine lange Profikarriere, wenn man nicht mit dem Ball umgehen kann.

Was können Sie denn aus dem englischen Fußball bei den Löwen einbringen?

Die Euphorie und den Spaß am Spiel. Immer voll bei der Sache zu sein, sich in jedem Training voll auszuleben. Natürlich ist Technik und Taktik sehr wichtig, aber man muss auch das Spiel an sich schätzen und ehren.

In England haben Sie eine tolle Stimmung in den Stadien erlebt, das gleiche auf St. Pauli. Nun kommen Sie zu 1860, in der Riesenarena sind zwei Drittel der Sitze leer.

Ich weiß, dass die Stimmung anders sein wird als am stets ausverkauften Millerntor. Das ist ja ein Spielort, der voller Freude steckt, wo es gar nicht so auf Sieg und Niederlage ankommt. Bei 1860 wird das anders sein, das bekommt man teilweise schon in Freundschaftsspielen mit. Dort wird schnell mal gemosert, die große Geduld ist nicht da. Damit gilt es für uns umzugehen. Es bestehen hohe Ansprüche, aber das ist es auch, was mich dazu bewogen hat, hier hinzugehen. Im ganzen Verein schlummert ein riesiges Potenzial. Unsere größte Herausforderung wird sein, die Leute mitzureißen und aus diesem negativen Trott rauszuholen.

Bevor Sie zu 1860 kamen, hatten Sie Ihr Buch „Unser Mann in London“ veröffentlicht, dazu waren Sie in einer Kochsendung. Hatten Sie nicht die Befürchtung, als alles, nur nicht als Fußballer wahrgenommen zu werden?

Ich wusste, dass an den Geschichten großes Interesse besteht, da rede ich auch gerne drüber. Aber ich bin vorwiegend Fußballprofi, und ich habe mir von Sportdirektor Florian Hinterberger versichern lassen, dass er mich nicht als Teamkoch, sondern als Verteidiger geholt hat.

Wieviele Teamkollegen haben Ihr Buch denn gelesen?

Die meisten, die mich auf das Buch angesprochen haben, meinten, sie müssten es noch lesen. Wenn es zum Beispiel der Stoppel (Moritz Stoppelkamp, d. Red.) in die Hand nehmen würde, wäre das eine große Ehre für mich (lacht). Er ist nicht so die Leseratte.

Das wäre also der Ritterschlag für Sie als Autor!

Er hat mir schon versichert, dass es eine gute Toilettenlektüre für ihn wäre (lacht). Aber das ist okay für mich.

Lesen Sie denn selbst viel?

Ja, der Stoppel meinte schon, ob mein Fernseher im Trainingslager kaputt war. Ich bin eher der Typ, der sich ein Buch in die Hand nimmt als den Fernseher einzuschalten.

 

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