"Mit Vitus steht ein echter Löwe im Tor"
München - "Ich könnte Ihnen ein Beispiel aufführen: Ich bin 1998 als Torwart Nummer drei in der Bundesliga ins Tor gekommen, weil Bernd Meier in der Woche zuvor im Derby gegen den FC Bayern dem Carsten Jancker den Ball vor die Füße geschmissen hat. Das sind alles so Stellschrauben, an denen man drehen kann", sagt Michael Hofmann. Der 42-jährige Ex-Torhüter spielte von 1996 bis 2010 beim TSV 1860 und wechselte dann zu Jahn Regensburg. Zur Winterpause der Saison 2012/13 beendete er seine Karriere.
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Besagtes Beispiel datiert aus dem Jahr 1998, als Hofmann nach Meiers Patzer bei der 1:3-Derbypleite das Tor hüten durfte - und danach drei Siege holte. Hofmann kennt auch Vitus Eicher aus seiner Zeit bei den Löwen noch, der momentan ebenfalls in den Genuss kommt, vom Ersatztorhüter zur Nummer Eins befördert zu werden. Hofmann spricht im AZ-Interview über die aktuelle Torwart-Rotation, den neuen Trainer Torsten Fröhling und den wichtigen Sieg gegen St. Pauli.
AZ: Herr Hofmann, beim 2:1 gegen St. Pauli gelang den Löwen endlich der erste Sieg seit September und der Sprung auf Rang 15 über den Strich. Erleichtert?
HOFMANN: Das war elementar wichtig für alle Beteiligten, lebensnotwendig. Das Wasser steht bis zum Hals.
Die spielerische Leistung ließ bei nur drei eigenen Torschüssen auch zu wünschen übrig.
Das Glück war schon brutal auf Sechzger-Seite: Wenn Paulis Daube den Ball am Schluss reinhaut, sieht es anders aus. Erst müssen die Spiele gewonnen werden, auf längere Sicht muss die Leistung dazu passen. Dafür muss man immer hart arbeiten.
Daher musste Markus von Ahlen gehen, Torsten Fröhling hat übernommen, der Trainerwechsel Wirkung gezeigt.
Der Dreier hat definitiv viel Last genommen. Aber: Nächste Woche geht es nach Ingolstadt, da sind die absoluter Favorit. Dann kommt mit Sandhausen auch keine Laufkundschaft. Es wird interessant bleiben.
Fröhling war U21-Trainer, in der 2.Liga fehlt ihm jede Erfahrung. Wie beurteilen Sie sein Debüt?
Er hat Mut bewiesen und Zeichen gesetzt. Kai Bülow reingenommen, später Dominik Stahl nach langer Verletzung gebracht: Das sind Leute, die sind länger bei Sechzig. Leidenschaft, Laufbereitschaft, Aggressivität – die wissen, was es jetzt braucht. Fröhling hat nach der Sieglos-Serie was verändert. Hat wunderbar funktioniert.
Eigentlich sollen Sie für uns eine andere Personalie beurteilen: Als Ex-Torhüter der Löwen dürften Sie schon eine Ahnung haben...
Den Torwartwechsel? Ich Freude mich für Vitus Eicher, habe ja noch mit ihm trainiert und ihm auch den ein oder anderen Ratschlag gegeben. Gott sei Dank hat er das Spiel gut über die Bühne gebracht. Wenn es 3:0 verloren geht, ist Eicher verbrannt. Fröhlings Erklärung, ihn zu bringen, fand ich gut.
Dass Eicher ein „Löwe durch und durch“ ist?
Genau. Er hat die Jugendmannschaften durchlaufen, Reiner Maurer hat ihn damals zu den Profis hochgezogen. Ein Mann aus dem eigenen Haus: Mit Vitus steht ein echter Löwe im Tor.
Hat Eicher den bisherigen Stammkeeper Stefan Ortega also dauerhaft verdrängt?
Keiner hat einen Freibrief, die Leistung muss stimmen. Eicher war schon oft dran, hatte hinter Gabor Kiraly aber kaum eine Chance. Dann verließ der Ungar die Löwen, was für viele nicht ganz schlüssig war, dass man den letzten Führungsspieler auch noch gehen lässt. Jetzt hat man drei junge Torhüter mit Riesen-Talent. Eicher hat schon gezeigt, dass er es kann, unter Druck zu agieren, damals 2012 in Frankfurt. Jetzt hat er seinen zweiten Zweitliga-Sieg gefeiert. Da muss jetzt erstmal Ruhe reinkommen. Grundsätzlich könnte auch ein Brasilianer bei Sechzig in der Kiste stehen, wenn er gut hält. Da zählt es nicht, ob du Löwe bist: Du musst erfolgreich sein. Das andere kommt dann dazu.
Wo hat Eicher denn noch Verbesserungspotenzial?
Der Trainer hat es richtig angesprochen: Es gibt viele Sachen, die er noch lernen muss – fußballerisch, beim Herauslaufen, der Strafraumbeherrschung. Das sind Sachen, die lernst Du nur im Spielrhythmus.
Ortega bleibt erst einmal nur die Bank. Was muss er sich denn konkret vorwerfen?
Wenn sich die Tabellensituation so darstellt, kann sich keiner von Schuld freisprechen. Sechzig hat nicht wenig Gegentore bekommen. Natürlich ist es extrem, wenn man raus muss – und zwar nicht aus Verletzungsgründen. Ich erinnere mich an Darmstadt: Da ist Ortega zwei, dreimal rausgelaufen und hat die eigenen Spieler umgehauen, bevor er den Ball erwischt hat. Gut, er hat kein Tor verschuldet, aber die hundertprozentige Abstimmung hat gefehlt.