Missverständnis, Fleißpunkte und Versäumnisse: Ein (weiteres) wildes Halbjahr für die TSV-1860-Bosse

München - Sie hatten geschielt, gehofft, gewarnt: Was ist in dieser Saison trotz XXL-Umbruchs drin? Reicht es für oben? Wird's eine Übergangssaison? Oder gar Abstiegskampf? "Wenn ich heute antworten muss, dann sage ich ja", meinte Maurizio Jacobacci auf die Frage vor Saisonbeginn 2023/24, ob die Sechzger nur um den Klassenerhalt spielen. Er sollte – Stand Winterpause – trotz zahlreicher im Anschluss getätigter Transfers Recht behalten und das Saisonende als Coach gar nicht mehr erleben. Der fünfte und letzte Teil der AZ-Zwischenzeugnisse des aktuellen Tabellen-15., der nur noch zwei Zähler Vorsprung auf die Abstiegsränge hat: die Löwen-Bändiger.
TSV 1860: Trainer-Missverständnis und Geschäftsführer-Beben
Maurizio Jacobacci: Nach Menschenfänger Michael Köllner sollte ein autoritärer Trainer die Löwen wieder in die Spur bringen. Jacobacci gefiel anfangs mit akribischer Arbeit, rhetorischem Geschick und Ergebnissen (zwei Siege in Serie zum Auftakt). Auch die Leistung stimmte in vielen Spielen. Dennoch konnte der Italo-Schweizer die Abwärtsspirale nicht verhindern. Vielmehr witterte er Verschwörungstheorien, demolierte Stürmer Fynn Lakenmacher öffentlich und machte die Torhüter-Frage zum Politikum, indem er Marco Hiller erst das Vertrauen aussprach, um es ihm nach der Pokal-Blamage in Pipinsried (0:1) zu entziehen. Der Ertrag sprach letztlich nicht mehr für ihn, weshalb es zur Trennung kam. Seine große Hypothek: Von Anfang an haftete der Ismaik-Stempel am 60-Jährigen. Note 5
Frank Schmöller: Zwei Pleiten in zwei Spielen rechtfertigen keine allzu gute Note, doch der Interimstrainer hat 1860 durch seine bodenständige, ehrliche und humorvolle Art wieder Selbstvertrauen und Spaß am Fußball eingeimpft. Es scheint, als könnte er am 20. Januar gegen den MSV Duisburg zeigen, dass er es besser kann als bei den unglücklichen Niederlagen in Bielefeld (0:2) und Mannheim (0:1). Note 4
Marc-Nicolai Pfeifer: Der Finanz-Geschäftsführer schmiss den Laden bei den Löwen trotz aller Machtkämpfe, er sammelte wie in den Jahren zuvor fleißig Sponsorengelder ein. Obwohl ihm von vielen Seiten ein guter Job bescheinigt wurde, hat ihm die e.V.-Seite um Präsident Robert Reisinger gekündigt. Aus rationalen Gründen eine fragwürdige Entscheidung. Note 3
Neuzugänge des TSV 1860 fruchten zu wenig
Transfer-Kompetenzteam: An dieser Stelle würde Günther Gorenzel stehen, wäre der Österreicher nicht im vergangenen Sommer geflohen. Neben Ex-Coach Jacobacci haben Pfeifer, Chefscout Jürgen Jung und NLZ-Chef Manfred Paula die Rolle eines improvisierten Transfer-Kompetenz-Teams übernommen. Auch Ismaik-Statthalter Anthony Power wird einige Beteiligung nachgesagt. Zugute halten muss man der Transfer-Taskforce, dass sie unter denkbar schwierigen Umständen die Kaderplanung abschließen konnte.
Bezieht man die teils fälschliche und widerlegte, aber an diesem Verbund lastende Berichterstattung über angebliche "Ungereimtheiten" des Transfersommers ein, so muss man zu dem Urteil kommen: Jacobacci, Pfeifer und Co. haben es versäumt, die e.V.-Bosse mehr ins Boot zu holen, sonst wäre eventuell nicht so ein enormes Misstrauen entstanden.
Zu berücksichtigen gilt es auch, dass der Etat zwei Mal nur häppchenweise um je eine halbe Mio. auf insgesamt 5,5 Mio. Euro erhöht werden konnte. Mit Akteuren wie Joel Zwarts, Morris Schröter, Julian Guttau, Manfred Starke und Leroy Kwadwo holte 1860 brauchbare Spieler, es leistete sich mit Marlon Frey, Valmir Sulejmani oder Tarsis Bonga aber auch Transfer-Missverständnisse – und insgesamt einen Kader, der unter dem Strich nur für Rang 15 gereicht hat. Note 4