„Meine Generation will heute keiner mehr“

Einst Löwe, jetzt Weltenbummler - Werner Lorant wird am Freitag 60. Er hasst SMS und verbietet Computer – ein Trainer alter Schule eben. Und wenn die Rede auf Podolski kommt, „dann tanzen meine Gallensteine Techno“.
von  Abendzeitung
Tobt wie in seinen besten Tagen - und das noch in Liga acht: Werner Lorant.
Tobt wie in seinen besten Tagen - und das noch in Liga acht: Werner Lorant. © dpa

Einst Löwe, jetzt Weltenbummler - Werner Lorant wird am Freitag 60. Er hasst SMS und verbietet Computer – ein Trainer alter Schule eben. Und wenn die Rede auf Podolski kommt, „dann tanzen meine Gallensteine Techno“.

AZ: Herr Lorant, eigentlich wollten Sie mit 55 aufhören, so wie Sie es mal angekündigt haben. Am Freitag werden Sie 60 – und arbeiten in der Slowakei beim Erstligisten Dunajska Streda.

WERNER LORANT: Als ich das damals gesagt habe, da war ich noch bei Sechzig. In München Trainer zu sein, das ist Stress pur – da hab’ ich es jetzt wesentlich ruhiger. Dort redet mir keiner rein.

Wie lange wollen Sie noch auf dem Platz stehen?

Ich bin in der glücklichen Lage, in der ich von heute auf morgen sagen kann: So, jetzt ist Schluss! Aber einen Traum habe ich noch: Ich will irgendwann noch mal Nationaltrainer sein. Das würde mir Spaß machen – am liebsten in Afrika. Ich habe in Dunajska Streda zwei 21-jährige Kamerunaner, ich sehe, welches Potenzial die haben. So was findest du kaum in der Bundesliga.

Wissen Sie eigentlich, wieviele Klubs Sie nach 1860 trainiert haben?

Das ist mir egal. Fünf? Sechs?

Nein, zwölf.

Das kann nicht sein. Das mit Ahlen oder Ata Spor zähle ich nicht dazu. Das waren nur Freundschaftsdienste.

In Deutschland ist Ihr Trainer-Typus nicht mehr in, heißt es. Beinharte Schleifer gelten als antiquiert.

Wenn ich das schon höre! Ich will auch gar nicht mehr zurück nach Deutschland. Da wird nur gejammert. Wenn ich nur das Theater um Lukas Podolski sehe. Da tanzen meine Gallensteine Techno. Es wird schon einen Grund haben, warum ihn Jürgen Klinsmann nicht mitnimmt. Der Spieler kriegt in der Öffentlichkeit immer die Bestätigung, das kann nicht sein. Einer wie Podolski wird viel zu wichtig genommen. Wer ist das, bitte? Podolski sollte sich viel lieber an Bastian Schweinsteiger ein Vorbild nehmen.

Warum erhalten Sie keine Angebot aus der Bundesliga?

Ich bin ein Einzelkämpfer, meine Generation, dazu zähle ich auch Matthäus, Basler, Effenberg, will heute keiner mehr.

Warum?

Ich sag’ die Wahrheit – und die Wahrheit passt den wenigsten. Das ist ein hausgemachtes Problem in Deutschland. Ich bin ehrlich, direkt und hart. Meinen Sie, ein Ralf Rangnick verlangt nix von seinen Spielern und ist nicht hart?

Haben Sie ein Problem mit der neuen Ipod-Generation?

Natürlich! Schauen Sie sich doch mal die Jugend an: Tag und Nacht vor dem Computer. Das ist Sucht – schlimmer als Alkohol. Ich habe bis heute keinen Computer. Meinen Spielern hab ich im Hotel den Laptop verboten. Das war für sie die Höchststrafe. Aber das stärkt die Konzentration.

Und was, wenn sich einer nicht daran hält?

Den schmeiß’ ich raus. Ich hab das in der Türkei mal erlebt. Ich war im Trainingslager, habe nachts nicht schlafen können, dann schau ich aus dem Fenster – und was sehe ich? Um vier Uhr in der Früh brennt in einem Spielerzimmer das Licht. Ich geh in das Zimmer, und der Spieler ist in irgendeinem Chat. Ich dagegen kann bis heute noch keine SMS schreiben. Das ist alles so unpersönlich.

Was war ihre schlimmste Erfahrung als Weltenbummler?

Der chinesische Fußball, das war eine Katastrophe. Als Europäer brauchst du nicht nach China. Dort herrscht Kommunismus, da wird alles vorgeschrieben: Wann trainiert wird, wann der Bus kommt. Die holen oder verkaufen Spieler, und du wirst als Trainer gar nicht informiert. Dann noch die quälende Manipulation: Dort weißt du nicht, gewinnst du, oder verlierst du. Das ganze Land wettet auf Fußball. Da fragst du in der Halbzeit deinen Dolmetscher: Was ist heute mit dem Schiedsrichter los? Er zuckt mit den Schulter: „Weiß ich nicht!“

China hat also bleibenden Eindruck hinterlassen.

Nach China bringt mich keiner mehr. Schauen Sie, diese Welt ist nichts für mich: Da sind die Frauen im Reisfeld im Dreck, und was machen die Männer? Die sitzen oben auf dem Traktor und schaffen an. Oder die Frauen kehren mit dem Besen mitten auf der Autobahn – bei Verkehr. Ist das normal? Nein!

Wohin würden Sie gern noch mal gehen?

In die Türkei. Das ist ein richtig schönes Fußballland. Ich habe da sehr viel Erfolg gehabt. Die Leute mögen mich. Wenn ich heute zum Stadion von Fenerbahce komme, dann brauch’ ich keine Eintrittskarte. Ich gehe zur Kasse und gehe durch, dann gehe ich in den VIP-Bereich. Das hat Niveau.

Mit welchem Spieler haben Sie am liebsten gearbeitet?

Es gab viele Spieler, aber Jens Jeremies war schon einzigartig. Er hatte eine Top-Einstellung zum Fußball, er kam mit 18 zu mir, Jerry wollte nicht mitschwimmen, sondern ein Leader sein. Auch Olaf Bodden war so einer. Viele sagten, was willst du mit dem Stolper-Hannes? Wenn der nicht krank geworden wäre, wäre der Nationalspieler geworden. Auf den konntest du dich verlassen. Der hat nicht gezickt. Olaf hat dir Freude gemacht.

Über wen haben Sie sich am meisten geärgert?

Rene Rydlewicz – und zwar jeden Tag. Er hatte so viel Talent auf hohem Niveau. Der hätte 100 Länderspiele haben müssen, genauso wie Daniel Bierofka. Wer hat schon so ein Tempo-Dribbling wie Daniel? Ich kenne wenige. Und wo spielt er jetzt? in der Zweiten Liga!

Was ist mit Thomas Riedl, dem Derby-Helden von 1999? Er polterte kürzlich in der AZ: „Lorant – das war die Hölle!“

Hör’ auf! Der hat sich selbst kaputt gemacht. Der Riedl hat sich nach seinem Tor gegen Kahn nur noch feiern lassen. Es ist doch schön, gegen Bayern das 1:0-Siegtor zu machen, aber ich kann mich nicht das ganze Jahr danach verstecken und meinen, ich bin so gut wie Thomas Häßler. Er ist mit den Schulterklopfern nicht fertig geworden.

Interview: Oliver Griss

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