Interview

Marco Kurz zum TSV 1860: "Willst du aufsteigen, darfst du nicht abstürzen"

Ex-Löwe Marco Kurz spricht über seine Bestmarke von drei Auftaktsiegen in Serie, warnt vor Unruhe im 1860-Kosmos und schwärmt von Neuzugang Lakenmacher: "Der Junge macht einfach Spaß."
von  Matthias Eicher
Marco Kurz hat als Trainer mit den Löwen 2007/08 das letzte Mal drei Spiele hintereinander zum Auftakt gewonnen.
Marco Kurz hat als Trainer mit den Löwen 2007/08 das letzte Mal drei Spiele hintereinander zum Auftakt gewonnen. © firo/Augenklick

AZ-Interview mit Marco Kurz: Der 53-Jährige war von 1998 bis 2004 als Spieler und von 2006 bis 2009 als Trainer bei 1860 aktiv.

AZ: Herr Kurz, die Löwen haben zum Auftakt der Drittliga-Saison 2022/23 drei Siege am Stück geholt. Da müssen wir glatt einmal bei Ihnen nachfragen: Werden da Erinnerungen wach?
MARCO KURZ: Ja, absolut: Ich habe gelesen, dass Sechzig das seit der Saison 2007/08 nicht mehr hingekriegt hat.

Damals war der 60-Cheftrainer ein gewisser Marco Kurz.
Es ist immer schön, wenn du Rekorde aufstellst. Wir hatten damals eine typische Löwen-Mannschaft: jung, hungrig, aber keinen allzu breiten Kader, weil das Geld knapp war. Toni Di Salvo war unser Top-Stürmer, Biero und Berki (Daniel Bierofka und Berkant Göktan, d. Red.), die Bender-Zwillinge – wir hatten eine tolle Truppe und einen fantastischen Start.

"Wir hatten zwar tolle Spieler, aber nicht die notwendige Breite im Kader"

Die Gegner hatten damals klangvolle Namen: FC Augsburg, 1. FC Kaiserslautern, TSG 1899 Hoffenheim. Haben Sie es noch im Kopf?
Wir haben die Saison mit einem 6:2-Kantersieg gegen Augsburg eröffnet. Das war eine italienische Nacht, der Toni Di Salvo hat drei Tore gemacht (lacht). Wir haben auch gegen Lautern performt (3:1, d. Red.), haben auch ein unheimlich gutes Auswärtsspiel in Hoffenheim hingelegt – 3:0. Wir haben auch insgesamt eine sehr gute und starke Vorrunde gespielt. Da erinnert man sich sehr gerne daran.

Sie ahnen schon, was nun kommt: Aus welchen Gründen ist es am Saisonende nur Rang elf geworden?
Wir hatten zwar tolle Spieler, aber nicht die Breite im Kader, die nötig gewesen wäre. Solange alle fit waren, war es in Ordnung, aber uns ist mal Di Salvo ausgefallen, auch Göktan. Wir hatten leider auch nicht immer das nötige Spielglück, hatten eine Serie mit zu vielen Unentschieden. Die Rückrunde lief leider überhaupt nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten.

Hat bei Göktan, der ja ein begnadeter Fußballer war, der Drogenmissbrauch zu dieser Zeit schon eine Rolle gespielt?
Das kann schon sein. Berkant war ein super Junge, wir haben ihn 2006 zu den Löwen geholt – aus dem Englischen Garten. Irgendwann fing es an mit Nebengeräuschen, aber ich will es nicht an einem Spieler festmachen: Wir hatten nicht die Mannschaft, die mehrere Rückschläge wegstecken konnte. Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Willst du vorne mitspielen, muss alles passen. Das war bei uns leider nicht der Fall.

Kommen wir ins Hier und Jetzt: Wie stark schätzen Sie die Löwen unter Michael Köllner ein?
Ich freue mich sehr, dass Sechzig so stark angefangen hat. Ich verfolge alle meine Herzensvereine und drücke daher auch den Löwen die Daumen. Man muss dem Trainer und dem ganzen Verein ein großes Kompliment machen. Auch Günther Gorenzel, wie er es geschafft hat, doch
einige schmerzhafte Abgänge zu ersetzen und neun Neuzugänge zu holen, die keine Laufkundschaft sind und viele auch bei anderen Vereinen auf dem Zettel standen. Wie Sechzig derzeit auftritt, ist eine tolle Geschichte.

Am Samstag (14 Uhr live bei Magenta Sport und im AZ-Liveticker) beim SC Verl und in den nächsten Spielen wollen Köllner und sein Team weiter ungeschlagen bleiben. Wie groß ist die Absturzgefahr?
Du brauchst natürlich eine konstante Saison, um den Erfolg einzufahren, den sich wohl jeder Löwen-Fan wünscht. Wenn du aufsteigen willst, darfst du halt nicht abstürzen. Ich denke, dass gerade die neue Breite im Kader das Zünglein an der Waage sein könnte.

"Lakenmacher hat enormes Potenzial"

Mit Marcel Bär, Semi Belkahia und nun auch Phillipp Steinhart sind drei Stammspieler verletzt. Wie lassen sich solche Ausfälle kompensieren?
Wir konnten es damals nicht. Aber jetzt hat man gesehen, dass Spieler wie Fynn Lakenmacher oder Leandro Morgalla in die Bresche springen können. Lakenmacher, den ich bei Halvese schon gut fand, hat enormes Potenzial: Das ist ein sehr spannender Spieler, der Junge macht mit seiner Physis einfach Spaß. Man darf nicht den Fehler machen, ihn mit Bär zu vergleichen, denn von einem erfahrenen Torschützenkönig darf man mehr erwarten als von einem jungen Spieler. Wenn man aber seine beiden Tore in Dresden anschaut: Die haben in der Dritten Liga nichts zu suchen, das waren Bundesliga-Tore! Oder auch ein Jesper Verlaat hinten als Abwehrchef, top. Diese Mannschaft ist in der Spitze und in der Breite sehr gut aufgestellt, sie hat viele Alternativen. Trotzdem sollten sich nicht noch mehr Spieler verletzen, denn die ganze Saison wirst du es nicht schaffen, gleich mehrere wichtige Stammspieler zu ersetzen.

Bleibt zu klären, wie man mit Rückschlägen umgeht – und Nebenkriegsschauplätzen, wie etwa der Diskussion um eine Fahne mit Hasan Ismaiks durchgestrichenem Gesicht in der Westkurve.
Rückschläge wird es immer geben, du kannst ja nicht 38 Spiele gewinnen. Aber von denen darfst du dich nicht aus der Bahn werfen lassen. Wichtig ist eine gute Grundstimmung, auch ein großer Konkurrenzkampf wie aktuell kann nur förderlich sein. Zu Ismaik: Da müsste man sich mit diesen Burschen in der Kurve mal unterhalten, dass das nicht förderlich ist. Als Mannschaft kannst du das ausblenden, zumindest eine Zeit lang. Wenn alle dasselbe Ziel haben, kann es am Ende klappen.

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