Lovin sucht die Ruhe – und landet ausgerechnet bei den Löwen
„Der Wechsel zum TSV 1860 ist genau das, was ich nach fünf Jahren Stress bei Steaua brauche“:Der rumänische Neuzugang hatte beim Ex-Klub Ärger mit dem Präsidenten, jetzt ist er erleichtert.
MÜNCHEN Die Begrüßung war schlicht aber herzlich. „Bine ati venit!", zu deutsch: Willkommen in München. So empfingen der Herr aus Rumänien, der samt seiner Tochter an die Grünwalder Straße gereist war, den verdutzten Florin Lovin. Der Neuzugang aus Steaua Bukarest hatte gerade sein erstes Training beim Zweitligisten TSV 1860 hinter sich gebracht. Zwei Stunden hartes Fitness- und Taktiktraining, doch fürs Erinnerungsfoto lächelte er artig und kritzelte noch ein Autogramm. Seine rumänischen Fans strahlten: „Ein Superstar, aber ein netter.“
Bisher waren bei Florin Lovin die Begrüßungen pompöser ausgefallen. Als er noch bei Steaua Bukarest spielte, hatten sie ihn bei einer Präsentation in einem Audi Coupé durchs Stadionrund gefahren. Von der Rückbank aus durfte er salbungsvoll dem Volk zuwinken. Ein ähnlicher Zirkus ist vor dem Testspiel im Grünwalder Stadion gegen RCD Mallorca am Samstag (19 Uhr) nicht geplant. Dort wird der 27-jährige Defensivmann zwar erstmals den Fans präsentiert. Doch als ein einer unter vielen.
Sein Debüt im Löwen-Trikot gab Lovin vergangenen Samstag beim Testspiel gegen den FC Aberdeen. Da konnte er 70 Minuten Spielpraxis sammeln. „Ein Klasse-Sechser“ befand Lienen anschließend. Lovin passe perfekt ins System.
Eine kleine Sensation ist die Verpflichtung Lovins allemal. Nur 100000 Euro sollen die Löwen nach Bukarest überwiesen haben. Sein Marktwert wird laut transfermarkt.de auf eine Million geschätzt. Am Montag unterschrieb Lovin nun einen Dreijahresvertrag. Ein echtes Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass kein Spieler im aktuellen Löwen-Kader auf ähnlich umfangreiche internationale Erfahrung verweisen kann: 103 Ligaeinsätze für Steaua Bukarest, 28 Partien in der Champions League und 19 Uefa Cup-Spiele.
Auch seinen künftigen Arbeitsplatz kennt der Rumäne bereits, denn in der zurückliegenden Champions League-Runde spielte er im November in der Allianz Arena gegen die Bayern. Fast wäre ihm der Ehrentreffer für Steaua gelungen. Am Ende setzte es allerdings ein herbes 0:3. Lovin und Steaua verabschiedeten sich glanz- und sieglos aus der Gruppenphase. Für Lovin war es der letzte Auswärts-Auftritt in der Königsklasse. Verspottet als „Schießbude Europas“ rumorte es bei Steaua schon damals gewaltig hinter den Kulissen.
„Der Wechsel zum TSV 1860 ist genau das, was ich jetzt nach fünf Jahren Stress bei Steaua brauche“, erklärte Lovin nun im rumänischen Fernsehen. Zuletzt lag Lovin nämlich im Dauer-Clinch mit Steauas allmächtigem Klubeigentümer Gigi Becali. Diktatorische Züge werden dem zur Selbstherrlichkeit neigenden Multimillionär nachgesagt. Kritik schätzt der Immobilien-Hai und Maybach-Fahrer weniger. Wer es sich bei ihm verscherzt, hat keine Chance mehr, heißt es in Rumänien. Genau das passierte aber Lovin. Die Folge: Erst blieben Gehaltszahlungen aus, dann musste er die Degradierung in die zweite Mannschaft hinnehmen. Lovin sollte abgeschoben werden.
„Florin wurde uns angeboten. Einen Spieler von seinem Kaliber bekommt man normalerweise nicht“, weiß Trainer Ewald Lienen. Und: „Hier haben wir geregelte Strukturen, danach hat Florin nach Bukarest gesucht.“ Und dafür nimmt Lovin auch den sportlichen Abstieg in Kauf. Künftig spielt er Zweite Liga statt Champions League. Zwar haftet auch Lovins aktuellem Arbeitgeber bisweilen der Ruf des Chaosvereins an; doch im Vergleich zu Rumänien ist Sechzig wohl eher ein Erholungszentrum.
München sei „eine ruhige Stadt“, hat Lovin unlängst mit Erleichterung erklärt. Momentan leben seine Frau Loredana und sein im Frühjahr geborenes Kind noch in Bukarest. Sie sollen aber bald nachkommen. Bis dahin hat er dann wohl mehr als nur zwei Fans, die ihn beim Training herzlich begrüßen. Sofern er sich nicht allein aufs Ausspannen konzentriert.
Reinhard Keck