Lohnende Leiden: Der TSV 1860 ist der moralische Derbysieger

Der TSV 1860 wird in einem packenden Derby von Türkgücü überrumpelt, schafft nach Unterzahl und Rückstand aber noch das 1:1. "Die Mannschaft hat gelitten", sagt Köllner - und verletzt sich beim Jubel.
von  Matthias Eicher
Hitzequal in Unterzahl: Stürmer Merveille Biankadi.
Hitzequal in Unterzahl: Stürmer Merveille Biankadi. © imago images/MIS

München – Den Fuß dick mit einem blauen Verband bandagiert, humpelte er nach der Ansprache im Mittelkreis erschöpft und schwitzend in die Kabine. Nein, kein Löwen-Spieler hatte sich im krachenden Derby gegen Türkgücü verletzt. Trainer Michael Köllner war es, der leiden musste - genauso wie seine Löwen.

Alles, was so ein Derby braucht

"Die Mannschaft hat gelitten mit einem Mann weniger", sagte der selbst am Bein verletzte Chefcoach nach diesem irren 1:1 des TSV 1860 am dritten Drittliga-Spieltag gegen Neu-Rivale Türkgücü: Dieses Duell hatte gefühlt alles, was so ein Derby braucht: Hochspannung, giftige Zweikämpfe, einen Platzverweis, feindselige Stimmung.

Und einen Jubel-Unfall des Oberpfälzers. "Ich habe mir leider beim Torjubel wehgetan. In der Wade war es wie ein Messerstich", meinte Köllner hinterher über seinen schmerzhaften Luftsprung. Zuerst war es Kontrahent Türkgücü, der seinen Mannen Schmerzen bereitete.

Türkgücü startete mit hohem Pressing

Doch von vorne: Die topmotivierte Elf von Trainer Petr Ruman überfiel die Sechzger vom Anpfiff weg, ließ den TSV durch seine enorm hohes Pressing kaum zur Geltung kommen.

Im Gegenteil: Ein Handspiel-Aussetzer von Torhüter Marco Hiller, der eigentlich mit einem Platzverweis statt seiner glücklichen Verwarnung hätte geahndet werden müssen, eröffnete Sechzigs Fehler-Reigen.  "Wir waren fahrig, haben keine Ruhe reinbekommen", gestand ein ungemein bemühter, aber wie fast alle Löwen zu fehlerbehafteter Merveille Biankadi völlig ausgepumpt nach dem Schlusspfiff.

Gelb-Rot sorgte für einen Schockmoment

Das zweite Handspiel im Bunde durch Yannick Deichmann und dessen Gelbe Karte wären ja noch zu verschmerzen gewesen, hätte der Neuzugang nicht in der 38. Minute auch noch Gelb-Rot gesehen und bei Köllner wie den Sechzger-Fans für einen Schockmoment gesorgt.

Biankadis lapidares wie wahres Urteil dazu: "Bei den Temperaturen so früh mit einem Mann weniger spielen zu müssen, das ist blöd." Zu allem Übel traf Türkgücü nach satten vier Aluminium-Treffern doch noch ins Schwarze: Sercan Sararer zielte mit einer wuchtigen Volleyabnahme mitten hinein ins Löwenherz (60.).

Kapitän Sascha Mölders meinte über die schier bevorstehende Pleite: "Wenn du 0:1 hinten liegst und zu zehnt bist, da setzt kaum noch einer was auf dich". Mölders schob trotzig hinterher: "Aber wir haben die Mentalität."

Die Leiden der Löwen haben sich gelohnt

Entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit hielt der 36-jährige Haudegen seinen Fuß in einen Dressel-Schuss und bescherte seinem TSV einen nimmer für möglich gehaltenen Punkt der Moral (80.), der den Saisonauftakt mit fünf Zählern aus drei Partien durch dieses glückliche, aber erkämpfte Comeback aufwertet. Die Leiden der Löwen, sie haben sich gelohnt.

"Wir haben uns selbst das Leben schwer gemacht"

Wie weh tat dann noch diese völlig unterlegene Anfangsphase, inder sich die Giesinger teils vorführen ließen und ein Türkgücü in dieser Form ein absoluter Aufstiegs-Konkurrent wäre?

"Wir haben uns selbst das Leben schwer gemacht. Die ersten 20 Minuten waren wir technisch nicht gut am Ball", meinte Aktivposten Marcel Bär, der sich in der 30. Minute durch einen völlig vermurksten Querpass auf Mölders in die Fauxpas-Festspiele einreihte. Musste es der Sturmpartner eben selbst richten.

Der Platzverweis brachte die Löwen in die Spur

Am Ende erkannte auch der humpelnde Köllner, was für ihn genauso galt wie für seine Löwen auf dem Rasen: "Wir sind heute über unser Grenzen gegangen."

Die Diagnose auf dem Rasen: Ausgerechnet der Platzverweis brachte einen diesmal in allen Mannschaftsteilen wackelnden TSV wieder besser in die Spur. Und bei Köllner? "Mindestens ein Muskelfaserriss." Jetzt ist erstmal Wunden lecken angesagt.

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