Löwen vor dem blauen Finale dahoam

München - „One Night in Bad Häring“. So sollte „sky“ die letzte Folge der Löwen-Doku nennen. Für eine letzte Nacht, für 24 Stunden, hat sich der TSV 1860 am Sonntag einkaserniert. In Bad Häring bei Kufstein wollen sie noch einmal alle Kräfte bündeln, ein letztes Mal die Sinne schärfen, um am Dienstagabend (20.30 Uhr, BR) in der Allianz Arena gegen Holstein Kiel den Klassenerhalt perfekt zu machen.
Ausgerechnet Bad Häring. Dort, wo alles begann, der Albtraum Abstiegskampf. Dort, wo sie die Geister riefen, die sie nicht mehr los wurden: die Geister des Möchtegern-Meisters, der nun am Rand der Drittklassigkeit steht. Diesen Geist wollen sie vertreiben und durch einen neuen Geist ersetzen: Teamgeist. „Viele Gespräche“ will Löwen-Coach Torsten Fröhling dort führen, um das mit der „mentalen Sache“ hinzubekommen. Um seine Spieler auf das Spiel der Spiele am Dienstag gegen Kiel vorzubereiten.
Das „Endspiel“, wie er klarstellt. Auf das „Pokalfinale“, wie es Kapitän Christopher Schindler nach dem 0:0 im Hinspiel in Kiel nannte. Auf das Löwen-Finale dahoam. Ob über 90 oder 120 Minuten, ob aus dem Spiel heraus oder im Elfmeterschießen – die Sechzger wollen es in ihrem persönlichen Finale in der Allianz Arena besser machen als der rote Rivale vor drei Jahren. Bloß kein neuerliches Drama dahoam.
Aber wie soll das gelingen? Spielerisch hatte 1860 im Hinspiel im hohen Norden enttäuscht. Die eklatante Heimschwäche der Löwen hat sich längst bis nach Kiel rumgesprochen. „Wir haben zuhause nicht viel gewonnen, haben aber die ganze Saison nicht viel gewonnen“, sagt Fröhling fast schon trotzig, „aber wir haben gegen Bochum und Nürnberg zwei der letzten drei Spiele zuhause gewonnen.“ Und den großen Vorteil von wohl über 50 000 Zuschauern im Rücken.
„Das wird eine andere Situation vor einer großen Kulisse“, hofft Dominik Stahl auf einen Heimvorteil. „Hoffentlich werden wir damit besser umgehen als die Kieler.“ Immerhin kennen die Löwen das Gefühl bereits, haben gegen Nürnberg vor 68 500 dem Druck schon Stand gehalten. „Wir müssen gewinnen und mit der Hilfe der Fans den Sack zu machen“, fordert Fröhling, „es wird wichtig sein, dass uns früh die ersten Aktionen gelingen, wir uns von den Fans tragen lassen.“
Mit Leidenschaft, Mut und dem neuen Geist von Bad Häring wollen die Löwen nach einer katastrophalen Saison doch noch den Super-GAU abwenden. Dafür schotten sie sich seit einer Woche ab, tun genau das, was sie vor einigen Wochen noch als „Aktionismus“ gebrandmarkt hatten. Der Zweck heiligt nun aber die Mittel. Man will sich nicht nachsagen lassen, nicht alles versucht zu haben. Und sei es auch nur für 24 Stunden. Sonntag hin, Montag zurück. Ein letztes Mal Ruhe vor dem Sturm. Ein letztes Mal Abschalten, bevor die Löwen in den Angriffsmodus übergehen müssen. In den Final-Modus. Nur ein Sieg zählt.
Und das am besten nach 90 oder zumindest nach 120 Minuten. Auf eine Elfer-Lotterie will sich beim TSV niemand einlassen. Zwar hatte Daniel Adlung den letzten Strafstoß zum 2:1-Sieg gegen Nürnberg sicher verwandelt. Hinter ihm tut sich dann aber schon ein gewaltiges Loch an potenziellen Schützen auf. Rubin Okotie hat seinen letzten Strafstoß in Darmstadt verschossen und steht aktuell vollkommen neben sich. Valdet Rama und Dominik Stahl wären Kandidaten. Danach müssten es entweder Abwehrrecken wie Schindler, Bülow oder Kagelmacher richten – oder gar die junge Garde um Wolf, Wittek, Weigl oder Bandowski. Viel Druck für Spieler, die vor einigen Monaten noch in der Regionalliga gespielt haben.
Druck, der schon für einige Spieler zu groß geworden ist in der Geschichte der Allianz Arena. Das Stadion, das am Wochenende zehn Jahre alt geworden ist, hat schon so manch denkwürdiges Spiel erlebt. Am Dienstag kommt ein weiteres dazu. Egal, wie es ausgehen wird. Es ist das erste Finale dahoam für den TSV 1860. Hoffentlich nicht sein letztes.