Löwen-Profi Vallori: "Kann die Deutschen schon spüren"
AZ: Grüß Gott, Herr Vallori, Sie sind fast ein Einzelstück. Ein spanischer Fußballprofi lebt in Deutschland. Im Land des Herausforderers?
GUILLERMO VALLORI: Stimmt, ihr Deutschen seid die Herausforderer. Wir haben alles gewonnen. Wir sind Weltmeister, wir sind Europameister. Wir wissen kaum noch wie man verliert, das ist der reinste Luxus. Aber ich bin ehrlich, ich versuche jede einzelne Sekunde unserer Spiele zu genießen, es kann schnell vorbei gehen mit dieser Generation der spanischen Mannschaft. Ich kann die Deutschen schon spüren, aber noch sind wir die Nummer eins.
Das klingt so, als machten Sie sich Sorgen um Ihre Spanier, aber trauten sich nicht, es auszusprechen?
Das Schlimme ist doch, dass die Leute so vergesslich sind. Wer waren wir denn bis vor ein paar Jahren? Eigentlich war das ein Witz, was wir damals geleistet haben. Tolle Spieler gab es ja, aber nach dem Viertelfinale war immer Schluss für uns, das war peinlich. Jetzt sind wir eine große Nummer, immer noch. Wir müssen das genießen, so lange wir noch können. Wenn es vorbei ist, werden wir aus einem Traum aufwachen. Aber ich bin kein Blinder, ich weiß, dass es kommen wird. Wenn man sich aber spanisches Fernsehen ansieht, dann glauben die Leute, dass es ewig so weitergeht. Denken die, Xavi ist auch mit 45 noch Weltklasse? Ich bin nicht so, ich mache mir jetzt schon Sorgen. Vielleicht schaffen wir noch zwei Jahre, aber dann? Dann ist Schluss, ich glaube, dann kommt Deutschland.
Als Spanier ist man aber auch verwöhnt genug. Wir reden besser nicht vom Radsport, aber sonst ist das ja die reinste Sportnation. Die Fußballer gewinnen immer, Nadal genauso im Tennis, die Basketballer sind spitze. Und, und, und.
Das brauchen wir auch. Ich meine, in diesen Zeiten geht es uns ja alles andere als gut. Da baut uns Sport auf. Wir vergessen alles andere, wenn die Nationalmannschaft spielt, dann sind die Probleme mal für 90 Minuten weg. Dann können wir genießen. Es gibt so eine hohe Arbeitslosigkeit in meinem Land, so viel Frust und Zorn, da brauchen wir Abwechslung. Stellen Sie sich mal vor, wir würden auch im Sport verlieren. Nein, das ist einer der Strohhalme, die wir brauchen, um uns aufzubauen. Ich spreche darüber mit meiner Familie und meinen Freunden auf Mallorca sehr oft.
Sind die denn von der brenzligen Wirtschaftslage in Ihrem Land direkt betroffen?
Ich bin ja ausgebildeter Lehrer, und ich kenne einige, die auch meine Ausbildung haben, die jetzt an der Tankstelle stehen müssen, um wenigstens ein paar Cent zu bekommen. Meine Mama hat sogar Glück. Sie ist Schneiderin. Ja und was machen die Leute, wenn sie kein Geld mehr für neue Klamotten haben? Sie bringen die alten lieber zum Schneider, als sich was Neues zu kaufen. Mein Papa war jahrelang Maurer, jetzt wartet er auf seine Pension, auf Mallorca gibt es leider nicht mehr viele Jobs, und wenn, dann vor allem im Sommer. Ich bin sehr froh, dass ich in Deutschland arbeiten kann, und meine Familie freut das auch. Wir reden da oft drüber, meine Mama sagt immer wieder, die Bank, bei der wir unser Geld haben, hat wieder große Probleme. Da macht man sich seine Sorgen. Manchmal denke ich, es wäre am besten, das Geld unter dem Kopfkissen zu verstecken.
Das klingt jetzt aber gar nicht gut.
Ist es auch nicht, unsere Wirtschaft ist im Keller, die Leute haben kein Geld mehr. Vor ein paar Jahren noch sind sie gereist, hatten schöne Autos, jetzt aber ist die Arbeit der Leute zwar die gleiche – aber das Geld nur noch zur Hälfte da. Die Leute müssen aufwachen, sie leben in der Vergangenheit. Viele bei uns sind wütend auf Frau Merkel, weil sie ihnen nicht hilft, aber das ist doch Quatsch, man muss sich selbst helfen.
Hinzu kommt ja auch noch die Zerstrittenheit zwischen den einzelnen Regionen. Wie sehr belastet der Konflikt zwischen den Basken, Katalanen und Spaniern auch den Fußball?
Sehr sogar, jetzt raufen sie sich zusammen, aber eigentlich können zum Beispiel die Katalanen von Barcelona mit dem Madridern nicht umgehen. Piqué und Ramos zum Beispiel, die verteidigen jetzt zusammen, aber die würden sich im normalen Leben nicht anschauen. Als Barcelonas Torwart Valdez vor ein paar Jahren in Spaniens Nationalmannschaft gerufen wurde, hat er erst mal abgelehnt und gesagt, ich bin kein Spanier, ich bin Katalane. Jetzt machen sie gute Miene zum bösen Spiel. Natürlich ist es toll, wenn wir gewinnen, aber ich würde es noch viel mehr lieben, wenn ich so einen Stolz wie bei anderen Ländern sehen würde. Zum Beispiel bei den Iren, oder den Italienern, wie die ihre Hymnen singen, das ist großartig. Wir haben ja nicht mal einen Text! Wir singen nur Lalalala, die Leute lachen uns dafür aus.
Immerhin haben Sie einen König!
Ja, und wissen Sie, was das Beste daran ist?
Bitte?
Ich habe Juan Carlos tatsächlich schon mal getroffen. Das war, als ich in der Schweiz, in Zürich gespielt habe. Der König kam zu einem Besuch nach Genf, und alle in der Schweiz lebenden Spanier wurden eingeladen, es sind ja nur ein paar. Ich bin drei Stunden hingefahren, ich war aufgeregt. Ich hatte feuchte Hände. Als ich ihn irgendwann durch seine sieben, acht Bodyguards hindurch mal gesehen habe und ihm die Hand schütteln durfte, war ich schon froh, dass wir so eine Symbolfigur haben. Ich wäre gerne öfter so stolz, aber im Moment gibt es dazu leider nicht so oft die Chance.