Löwen: Die Bürde der Binde

München - „Als Kapitän hat man eine gewisse Verantwortung, darf sich nicht hinter Anderen verstecken“, sagt Meisterlöwe Peter Grosser. Die Löwen-Legende muss es wissen, Grosser war in der Meister-Saison 1965/66 und die nächsten beiden Jahre selbst 1860-Spielführer. Doch von der (Zweitliga-)Meisterschaft, die Ex-Trainer Ricardo Moniz als Ziel ausgegeben hatte, ist Sechzig meilenweit und 15 Tabellenplätze entfernt. Krisenstimmung statt Euphorie herrscht an der Grünwalder Straße.
Der TSV 1860 findet sich kurz vor der Winterpause im Tabellenkeller. Für Kapitän Christopher Schindler und Co. der absolute Super-GAU. „Die jetzige Situation mit den Misserfolgen, dem Umfeld, dem großen Kader und vielen ausländischen Spielern ist keine leichte Aufgabe“, sagt der einstige Kapitän Grosser über seinen Nachfolger.
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Schindler ist schon der zweite Löwen-Kapitän der Saison, nachdem der geschasste Ex-Coach Moniz den erst 18-jährigen Julian Weigl vor der Saison zum Käpt’n auserkor. Grosser: „Das war ein großer Flop. Einen 18-Jährigen zum Kapitän machen ist jenseits von Gut und Böse. Kein anderer Verein auf der Welt macht das. Alleine das zeigt schon, was es für ein Fehler war. Damit hat man ihm keinen Gefallen getan.“ Weigl wurde durch die sogenannte „Taxi-Affäre“ nach einer Party-Nacht ganz schnell abgesetzt.
Unabhängig davon musste das schmächtige, fast kindliche Löwen-Talent erst Fuß fassen bei den Profis – und muss es noch. Die Anforderungen eines Kapitäns, um auch mal einem Routinier die Meinung zu geigen, konnte Weigl nicht erfüllen. Und wie schlägt sich nun Schindler, der Spielführer zweiter Wahl?
Manni Schwabl, Löwen-Kapitän in der Bundesliga 1995-97 und jetziger Präsident des Drittligisten Unterhaching, meint: „Zu der Lage bei 1860 sage ich nichts, Aber ganz grundsätzlich hast du als Kapitän eine Führungsrolle. Du musst sportlich unangefochten, in der Mannschaft anerkannt sein und den Respekt von Trainer und Präsidium genießen – deswegen kannst nicht allen nach dem Mund reden. Du musst manchen hin und wieder weh tun.“
Schwabls Vorstellungen erfüllt Schindler nur partiell: Aus sportlicher Sicht war der Abwehrspieler zwar lange gesetzt, gilt seit Saisonbeginn als Innenverteidiger Nummer eins. Mittlerweile ging die Hierarchie aber flöten. Der ausrangierte Gui Vallori und der als Abwehrchef verpflichtete, aber ins zweite Glied gerückte Uruguayer Gary Kagelmacher wurden reaktiviert.
Gegen den KSC fehlte Schindler grippegeschwächt, Kagelmacher vertrat ihn und machte seine Sache abgesehen von den neun Katastrophen-Minuten, als die Löwen das Spiel aus der Hand gaben, ordentlich. Stellte sich gegen K‘lautern die Frage: Kagelmacher stärken oder Schindler bringen, dem zuletzt gegen Frankfurt und Nürnberg kapitale Schnitzer unterliefen – Kagelmacher durfte ran. Grosser: „Auch ein Kapitän hat nicht das Privileg, jedes Spiel machen zu dürfen.“
Neben dem Platz steht Schindler zwar meist Rede und Antwort, seine Worte sind meist brav und diplomatisch. Vorangehen, unbequem sein und aufrütteln sieht anders aus, nämlich so: Keeper Stefan Ortega haute nach der 1:2-Pleite gegen Nürnberg auf den Tisch („Es muss einen Riesenknall geben!“). Eine 1-A-Brandrede. Und eigentlich Aufgabe des Kapitäns.
Ein weiteres Löwen-Manko, das Schindler ausbaden muss: Vor der Saison brachen mit Benny Lauth und Daniel Bierofka zwei Gesichter der Löwen weg, auch Routinier Gabor Kiraly flüchtete samt kultiger Schlabberhose mitten in der Hinrunde. Bierofka, 2008/09 Löwen-Spielführer, stärkt Schindler den Rücken: „Man darf nicht alles auf ihm abladen. Er ist ein besonnener Mensch und kann eine gute Identifikationsfigur werden“, sagt aber auch: „Klar, geht das nicht von heute auf morgen, das braucht Zeit.“ Zeit, die Schindler nicht hat.