Löwen brüllen früh

Ewald Lienen, der erfolglose und deshalb in die Kritik geratene Coach, will hart durchgreifen. Der Arbeitstag beginnt um 8.30 Uhr, trainiert wird zweimal, das Nachtleben ist tabu
MÜNCHEN Zumindest ist Ewald Lienen ein Kämpfertyp. Aufgeben? Nein, das kommt für ihn nicht in Frage – trotz der bedrohlichen Lage nach der 0:1-Heimpleite gegen Kaiserslautern mit dem Absturz auf Platz 15. „Es ist schade", sagte der angeschlagene Trainer, "dass es soweit gekommen ist. Aber wir schaffen das. Ich glaube ganz fest an mich und die Mannschaft."
Durchhalteparolen?
Lienen hat sich am Montag auch erstmals vom ursprünglich ausgegebenen Saisonziel, dem Aufstieg im Jubiläumsjahr 2010 in die Bundesliga, verabschiedet. „Wenn man auf die Tabelle schaut", erklärt er nüchtern, „dann sind wir im Abstiegskampf – auch wenn erst ein Drittel der Saison vorbei ist."
Und um im Abstiegskampf zu bestehen, verändert der Trainer nun seinen Führungsstil: Der 55-Jährige will jetzt härter durchgreifen, die Rückendeckung dazu hat er von Manager Miki Stevic: Statt einem luftigen Terminkalender voller Freizeitsmöglichkeiten gibt’s jetzt für die Löwen-Stars Maloche pur an der Grünwalder Straße. Lienen: „Man kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir werden jetzt jeden Tag zweimal arbeiten, uns um 8.30 Uhr am Morgen treffen."
Die Löwen brüllen jetzt früh, zuvorderst der Trainer.
Auch die freien Tage sind bei den Löwen bis auf weiteres gestrichen, zu wichtig sind die beiden Auswärtsspiele in Cottbus und bei Tabellenführer Bielefeld. Lienen: „Es geht hier nicht um Aktionismus, sondern darum, jetzt das Richtige zu tun."
Doch ob das die richtigen Maßnahmen des Trainers sind, die Löwen auf die Erfolgsspur zurückzubringen? Lienen knallhart: „In diesem Beruf muss man an seine Grenzen gehen. Vielleicht begreifen sie es nur, wenn sie jeden Tag um 8.30 Uhr auf der Matte stehen müssen." Ebenfalls droht er seinen kickenden „Nachtschwärmern": "Wenn jetzt einer unter der Woche zu einer Zeit unterwegs ist, die nicht normal ist, erst recht, wo wir mit dem Rücken zur Wand stehen, dann gibt’s keine zwei Meinungen. Sondern nur noch eine: „Dann hat er bei 1860 nichts mehr zu suchen."
Die Reaktion der Mannschaft auf Lienens Standpauke? Der Trainer: „Wenn jemand einen Mucks gesagt hätte, hätte er sich seine Papiere abholen können."
Doch langsam müsste sich auch der Trainer mal hinterfragen, warum er keinen Erfolg beim TSV 1860 hat. Es geht zum einen um die Einkaufspolitik, die Lienen gemeinsam mit Manager Stevic verantworten muss, und zum anderen auch darum, dass der Trainer noch immer keine Wunschformation gefunden hat.
Lienen steht im 1860-Umfeld in der Kritik, seine Bilanz ist erschütternd: In 13 Spielen gewann Lienen nur dreimal, damit ist er sogar schlechter als sein unmittelbarer Vorgänger Uwe Wolf (1,0 Punkte pro Spiel).
Kapitän Benny Lauth nimmt Lienen aber (noch) in Schutz: „Am Trainer liegt’s defintiv nicht", sagte der Ex-Nationalspieler am Montag der AZ, „Lienen erreicht uns noch, keine Frage. Er ist immer noch gewillt, uns voranzutreiben."
Die Frage ist nur: Wohin? Im Moment tendieren die Löwen eher Richtung Abstiegsränge. Oliver Griss