Lienen: „Das hätte es früher nicht gegeben!“
Im Fall des suspendierten Schäffler (21) sieht der 1860-Trainer auch ein gesellschaftliches Problem. „Ich vermisse Dankbarkeit und Bescheidenheit“, sagt er. Und: „Das liegt an der Erziehung.“
MÜNCHEN Es war zumindest eine kleine Annäherung: Als sich Manuel Schäffler, der suspendierte Löwen-Profi, und Cheftrainer Ewald Lienen während des Trainingsbetriebes der U23 und der Profis zufällig vorm Löwenstüberl begegneten, haben sie sich kurz begrüßt. Ein ausführliches Gespräch wird folgen. Schäffler (21) wird nach seiner Suspendierung wegen vermeintlicher Lustlosigkeit (AZ berichtete) bei Lienen und dann bei Sportdirektor Miki Stevic zum Rapport antreten müssen.
Der Stürmer soll sich beim 3:2 gegen Aachen nicht vorschriftsmäßig aufgewärmt und vor seiner Einwechslung unmotiviert gewirkt haben. Seit Montag trainiert Schäffler nun bei den Amateuren, eine Strafversetzung für die nächsten zwei Wochen.
„Das passiert in jeder Mannschaft der Welt“, sagte Lienen am Mittwoch, „Manu muss sich jetzt wieder hochdienen und aus seinen Fehlern lernen. Solche Erfahrungen sind auch eine Chance.“ Schäffler selbst wollte sich nicht äußern, zur AZ sagte er: „Von mir gibt’s nix zu erfahren.“
Es ist nicht das erste Mal, dass junge Spieler bei und mit Lienen Probleme bekommen. U19-Europameister Florian Jungwirth (20) wurde vom Coach nie aufgestellt und floh im Winter zu Dynamo Dresden: „Ich habe nie eine Chance bekommen.“ Benny Schwarz (23) fühlte sich falsch behandelt vom Trainer und wechselte auf Leihbasis nach Unterhaching. Und jetzt Schäffler. Alle drei Talente werden übrigens von der Spieleragentur „Pro Profil“ beraten, bei der sich Berthold Nickl um die Löwen-Talente kümmert. Nickl war selbst mal bei 1860 beschäftigt, als Pädagogischer Leiter beim Nachwuchs.
Lienen mag bei diesen drei Spielern keine Parallelen erkennen: „Das sind alles unterschiedliche Fälle. Schwarz hat sich respektlos verhalten, und Jungwirth hat einfach nicht gespielt. In einem Kader mit 25 bis 30 Leuten hast du immer zehn Profis, die nicht spielen.“
Den Fall Schäffler sieht Lienen (56) so: „In unserer Gesellschaft hat sich einiges verschoben. Junge Spieler tun gut daran sich auch mental auf den Job vorzubereiten. Dankbarkeit und Bescheidenheit vermisse ich manchmal. Für einen 21-Jährigen bricht gleich eine Welt zusammen, wenn er in der Zweiten Liga nicht spielt. Das ist einfach nur lächerlich. So etwas hätte es früher nicht gegeben. Dabei wäre Respekt angebracht.“
Genau den fordert Lienen aber ein. „Die Werte haben sich verschoben. Irgendwelche Sprüche oder Reaktionen stehen so jungen Spielern einfach nicht zu, da bin ich schon noch altmodisch.“ Deswegen suspendierte er Schäffler.
Lienen weiter: „Vielleicht haben wir in den letzten Jahren unsere Jugend einfach vernachlässigt. Wenn ich zurückdenke, wie ein 17-jähriger Marvin Pourie hier die Fresse aufgerissen hat, dann sage ich: Das liegt an der Erziehung. Früher war der Umgang anders.“
Oliver Griss