Leiwand, Löwen! TSV 1860 feiert dank Ösi-Duo
München - Die 53. Minute - eine Erlösung. Auf vielen Ebenen. Der technisch hochbegabte Künstler hat seine Show endlich auch in München gezeigt. Nachdem Michael Liendl den Ball aus 28 Metern knallhart zum 1:0 für die Löwen im Tor versenkt hatte, rannte er jubelnd vor die Sechzger-Fans. Und dann verbeugte er sich. Wie ein Künstler nach seiner großen Show. Der Österreicher hat geliefert. Beim 2:0 des TSV 1860 gegen den FC St. Pauli am Samstag war Liendls Weitschusstor ausschlaggebend, dass sich das Spiel von Grund auf änderte.
Sein Treffer – ein Befreiungsschlag. Für sich selbst. Denn hinter vorgehaltener Hand hatte man schon von einem Fehleinkauf geredet. Unter Möhlmann-Vorgänger Torsten Fröhling war er – der vermeintliche Retter – noch meist Bankdrücker gewesen. Und es war ein Befreiungsschlag für die Löwen, die bis zum 13. Spieltag ohne Sieg gewesen waren, die durch dieser Erfolg über St. Pauli nun endlich mal auf Platz 16 der Tabelle kletterten.
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Vor 30 100 Zuschauern hatten die Hamburger um Stürmer Lennart Thy bis dahin die besseren Tormöglichkeiten. Der Paulianer, dessen Verpflichtung der Beirat dem TSV 1860 im vergangenen Sommer sehr ans Herz gelegt hatte, spielte zunächst mit der Hacke Waldemar Sobota frei, der den Ball nach acht Minuten an den Pfosten schoss. In der 17. Minute hätte Thy dann mit einem Kopfball aus fünf Metern die Führung für die Kiezkicker machen müssen. Spielerisch waren die Löwen unterlegen.
Doch dann kam Liendl. „Ich glaube, dass ich schon das ein oder andere Weitschusstor gemacht habe“, sagte der 30-Jährige. Er kann es eigentlich – das hätte man bei den Blauen fast vergessen. Elf Spiele dauerte es, bis der Techniker sein erstes Löwen-Tor erzielte. Deshalb sprach Liendl von einem „guten Beginn“.
Frei gespielt hatte ihn der zweite Torschütze, Rubin Okotie. Auch dessen eigener Treffer nur drei Minuten später war ein echter Befreiungsschlag. Für sich und für die Löwen. Der zuletzt viel kritisierte Stürmer verwertete ganz im Stile eines Torjägers. Da vergaß man sogar, dass es erst das zweite Ligator des Angreifers war. Danach war erst mal mit der Zielsicherheit des 28-Jährigen vorbei. Im Zuge des Tores hatte Okotie eine Kontaktlinse verloren. „Ohne die habe ich nur 20 Prozent Sehkraft, da ist es schwer, die Bälle zu berechnen“, sagte er später. Nachdem er minutenlang bei der Bank verharrte, musste es ohne Sehhilfe weitergehen.
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Das 2:0 der Löwen, man hatte es nicht erwarten können. Zuvor gelangen den Sechzgern ja nur acht Tore in 14 Spielen. Die beiden Treffer der Österreicher im 1860-Trikot machten es möglich. Eine „Riesen-Erleichterung“, spürte Marius Wolf, Dass plötzlich die Löwen spielbestimmend waren, fiel auch dem angereisten Investor Hasan Ismaik auf der Tribüne auf: „Wir haben heute gekämpft wie Löwen. So muss das immer sein“, sagte er. Tags darauf versprach er neue Investitionen und sagte auf die Frage, ob es im Winter Geld für Spielerkäufe geben werde: „Natürlich! Der Verein erstellt gerade einen neuen Plan und ich werde den unterstützen.“
Der Pauli-Sieg – auch ein Befreiungsschlag im schwierigen Verhältnis zwischen Verein und Investor? Auf dem Spielfeld jedenfalls befreiten sich die Löwen mit ihrer besten Saisonleistung in der zweiten Halbzeit von einem direkten Abstiegsplatz. Für Trainer Benno Möhlmann aber kein Grund zur Euphorie: „Ich bin froh, dass wir überhaupt schon in der Lage sind, so vernünftig Fußball zu spielen, wie wir es in der zweiten Halbzeit gemacht haben.“ Auch die Spieler blieben am Boden. Liendl möchte die „Kirche im Dorf lassen“.
Ein nüchterner Befreiungsschlag der Löwen also.