Leitner geht - und rettet 1860
MÜNCHEN - Der finanziell klamme Zweitligist TSV 1860 München lässt, um die DFL-Auflagen zu erfüllen, das nächste Talent ziehen – für lediglich 500.000 Euro zu Dortmund. Präsident Beeck: „Das ist ganz bitter für uns“. Leitners Berater erklärt, wie das Geschäft funktioniert.
Am Ende ging alles ganz schnell. Löwen-Supertalent Moritz Leitner (17) wird ab dem 1. Juli 2011 für zunächst vier Jahre dem Bundesliga-Zweiten Borussia Dortmund gehören. Leitner-Berater Berthold Nickl bestätigte am Donnerstag der AZ, dass der Mittelfeldspieler, der auch mit Bayer Leverkusen verhandelt hatte, sich mit Dortmund auf einen Wechsel geeinigt hätte. Die Einigung zwischen 1860 und der Borussia steht noch aus, dürfte aber nur noch Formsache sein.
Damit verlässt wieder mal ein Löwenjuwel vorzeitig – und unter Wert – die Grünwalder Straße. Nach AZ-Informationen erhalten die Sechzger für den gebürtigen Münchner eine kombinierte Ausbildungs- und Ablöseentschädigung, die nicht viel höher als 500.000 Euro betragen dürfte – und sind damit, obwohl man sich sicher mehr erhofft hatte, angesichts der Umstände ganz gut bedient.
Leitner kann als Notverkauf angesehen werden, nach AZ-Informationen erhält 1860 die – auch nach dem unnötigen Pokal-Aus in Köln dringend benötigte – Ablösesumme sofort und komplett nach Vertragsabschluss auf die Löwen-Kralle. „1860 brauchte jetzt Geld“, bestätigt auch Nickl, der sich gegen den möglichen Vorwurf wehrt, die Notlage der Löwen ausgenutzt zu haben. „Wir standen bei 1860 seit Beginn der Vorbereitung im Wort, Moritz’ Vertrag bis 2012 zu verlängern“, so Nickl. Das sei nun, noch vor der Einigung mit Dortmund „virtuell“ geschehen. „Es gab genau zwei Möglichkeiten. Der Moritz verlängert nicht, dann hätte er diesen Vertrag mit Dortmund auch unterschrieben und hätte eben ein erhebliches Handgeld vom neuen Verein bekommen“, so Nickl. Weil man aber bei 1860 im Wort gestanden hätte, „hat Moritz auf sein Handgeld verzichtet“, so Nickl
Das erhalten nun stattdessen die Löwen – und können sich immerhin damit trösten, dass der hochveranlagte Leitner mindestens bis Saisonende Teil des Zweitliga-Kaders bleibt. Ob die Dortmunder ihr Schnäppchen danach noch ein weiteres Jahr an die Löwen verleihen, dürfte auch davon abhängen, ob BVB-Regisseur Nuri Sahin den derzeitigen Bundesligazweiten nach Saisonende verlässt – der FC Bayern hat ja Interesse gezeigt. Leitner könnte dann bei der Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp Sahins Planstelle im Mittelfeld übernehmen – und dann zusammen mit Sven Bender ein komplett bei 1860 ausgebildetes zentrales Mittelfeldduo bilden. Ob Leitner 2011 oder 2012 nach Dortmund geht, „darüber wollen die Klubs im Mai noch mal verhandeln“, so Nickl.
1860-Präsident Rainer Beeck gönnt Leitner sicherlich den Karrieresprung, bezeichnete aber den absehbaren Abgang des nächsten Super-Talents als „ganz bitter für uns. Doch solange wir auf der Kostenseite keine deutliche Besserung erreichen, müssen wir unsere Deckungslücken mit Transfererlösen füllen. Das ist die Basis, die DFL-Auflagen zu erfüllen.“
Leitner dagegen freute sich nur: „Der Wechsel zu einem der ganz großen Traditions-Klubs in Deutschland ist für mich einfach der Wahnsinn. Ich bin stolz, dass mir Jürgen Klopp und Michael Zorc diesen Schritt zutrauen. Für mich gilt es jetzt, diesem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden", sagte er am Donnerstag der AZ und versprach, „mich hier bei den Löwen, dem Verein, mit dem ich die letzten 13 Jahre unendlich viel erlebt habe, weiterzuentwickeln." Profitieren werden davon am Ende die Dortmunder.
Reinhard Franke