Legende des TSV 1860 München: Peter Grosser feiert seinen 80. Geburtstag
München - Natürlich war Peter Grosser Mittwochabend im Sportpark. Beim Derby-Drama. 1:1, war schon in Ordnung, auch wenn Grosser ehrlich zugab, dass er doch ein bisserl mehr zum Gastgeber hielt. Mitfieberte für seine Hachinger. Gegen seine Löwen.
Peter Grosser, eine Münchner Fußball-Legende, ohne den die Geschichte beider Vereine eine andere wäre. An diesem Freitag hat Peter Grosser seinen Achtzigsten, ein Essen gibt’s, kleiner Rahmen. Die Schwiegertochter, die drei Enkel. Die, die halt noch übrig sind von der Familie. "Dass ich jetzt noch ein großes Fest schmeiße", sagt er, "dafür ist einfach zu viel passiert in meinem Leben."
Wenige Stunden vor Anpfiff, Mittwochmittag, Verabredung in der Innenstadt. Wie bei vielen früheren Begegnungen wählt Grosser ein Café im Asamhof, nahe seiner Wohnung. Grosser ist noch gut beinander, nur manchmal hakelt's und schnackelt's in den Knien, aber wenn's geht, setzt er sich jeden Tag aufs Radl. Ein echtes Radl, er schmunzelt. "Koa E-Bike. Des brauch i no lang ned."
Peter Grosser: Eine 1860-Legende, die polarisiert
Eher trüb die Laune, als man über die Löwen spricht, das Thema 1860 kommt noch eher auf den Tisch als sein Cappuccino. Grosser hadert seit Jahren mit seinem Klub, den er 1966 als Kapitän zur Meisterschaft führte und der für ihn in die 1. Bundesliga gehört und nirgendwohin sonst. Ja, er hängt am Verein, aber es herrscht Entfremdung, Distanz.
Grosser, der mit seinen Ansichten bei den Fans schon lange polarisiert, nennt den Abschied aus der Allianz Arena ("Das schönste Stadion überhaupt") und die Heimkehr nach Giesing "einen großen Fehler", das Grünwalder Stadion eine "marode Bruchbude". Und dass die Schuld an der Misere nicht der Investor habe ("Der Ismaik hat denen mit seinen Millionen den Arsch gerettet"), sondern die Klubspitze selbst, er spricht von "Unfähigkeit der Verantwortlichen" in den letzten Jahren.
Ganz anders dagegen Haching. "Was der Manni Schwabl da als Präsident leistet und wie er professionelle Strukturen aufgebaut hat", sagt Grosser, "ist phänomenal." Und da müsste Sechzig erst noch hin. Sein Wunsch: Die Löwen in der Bundesliga sehen Haching als Vorbild der Löwen. Soweit hat's kommen müssen.
Peter Grosser: Haching führt er in vier Jahren in die Drittklassigkeit
Grosser schenkt sich Mineralwasser nach, ein Schluck Sprudel, er könnte endlos reden über das Leiden der Löwen, schwoamas obe. Lieber zurück zu den alten Zeiten. Zu 1963, dem Jahr, als die Löwen die Bundesliga mit einweihen durften und nicht die Bayern, bei denen Grosser fünf Jahre gespielt hatte. Als Grosser die Seiten wechselte und aus dem Roten ein Blauer wurde.
Bald kamen die Triumphe, 1964 Pokalsieg, 1965 Wembley, 1966 die Meisterschaft. Ab da ging's mit den Löwen abwärts, die Mannschaft zerbröselte, 1969 wechselte er noch nach Salzburg, lebte weiter in München, fünf Jahre Pendeln bis zum Karriereende. Und dann, 1977, rief der alte Schrobenhauser an, der Mäzen, weil seine SpVgg Unterhaching einen Trainer brauchte. Nach dem Aufstieg von der A-Klasse in die Bezirksliga. "Im Münchner Umland sind 60 Klubs höherklassig gewesen, andere Mannschaften wie Waldperlach oder Deisenhofen, die ham sich ja totglacht über Haching."
Die ersten Eindrücke waren auch entsetzlich, mehr eine Thekenmannschaft. Doch als neuer Trainer zog Grosser die Zügel an und führte den Verein in nur vier Jahren in die Drittklassigkeit, schon 1983 spielten sie als Bayernliga-Meister erstmals um den Zweitliga-Aufstieg. Und über Haching lachte keiner mehr, weder in Waldperlach noch in Deisenhofen.
Peter Grosser: Private Schicksalsschläge
So groß die sportlichen Erfolge als Spieler und Trainer, später auch mehr als zwei Jahrzehnte bis 2011 als Vizepräsident in Haching, so fürchterlich die privaten Rückschläge mit dem Tod seiner beiden Söhne. Sein ältester Sohn Peter starb 1979 mit 19, als Beifahrer bei einem Autounfall in Fürstenried. Thomas, der Jüngere, selbst einst Zweitliga-Profi bei Haching, fiel 2008 beim Hallenfußball tot um. Einfach so, mit 42. Später starb auch noch Grossers geschiedene Ex-Frau, die Mutter der Söhne.
Grossers Stimme, ansonsten fest und kernig, wird brüchig, er sagt: "Manchmal fragst dich schon, warum das so brutal zuschlägt. Ein Kind zu beerdigen, ist schon furchtbar. Aber zwei. Drüber weg kommst du nie. Es hat auch gedauert, bis ich wieder Kraft bekommen hab. Ich hätt' auch von der Brückn springen können. Aber das hätt' auch nichts gebracht. Irgendwie hat's halt weitergehen müssen."
Nach der Grausamkeit des Schicksals die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens wiederzuentdecken, wohl eine viel größere Leistung als alle sportlichen Erfolge zusammen. Nun also der Achtzigste, in kleiner Runde mit Schwiegertochter Doris und den drei Enkeln (22 und 16), die jüngeren sind Zwillinge.
"Hauptsach, gsund bleim" sei sein Ziel, sagt Grosser nach zwei Stunden, bevor er zwischen Asamhof und Sportpark noch einen Wiesn-Besuch einschiebt. Noch lange durch die Stadt radeln mag er, auf eine Halbe an seinem geliebten Viktualienmarkt vorbeischauen, einfach München genießen.
Und erleben, dass die Löwen doch irgendwann wieder da sind, wo sie hingehören. Ganz oben in der Bundesliga. Vielleicht passiert's ja noch vor seinem Neunzigsten.