Köllner bremst die Löwen-Euphorie und warnt

Pfingstsonntag, Giesings Geister-Höhen: Es läuft die Schlussphase, als Löwen-Kapitän Sascha Mölders den Ball im menschenleeren Grünwalder zu Sturmkollege Prince Owusu spitzelt. Der streichelt die Kugel in Manier des einstigen Ballzauberers Zinedine Zidane in einer geschmeidigen Drehung in Richtung Tor, schießt Schlussmann Leo Weinkauf durch die Beine – und macht den Löwen-Wahnsinn perfekt!
Löwen stehen auf Relegationsrang drei
"Wir haben uns sehr, sehr viel vorgenommen. Ich denke, wir haben großen, großen Charakter gezeigt und auch gezeigt, was wir für eine geile Mannschaft sind", schwärmte Spielmacher Efkan Bekiroglu über das irre 3:2 am 28. Spieltag gegen Spitzenreiter MSV Duisburg, über das ganz normale Löwen-Drama: "Und wir haben’s wahnsinnig geil gedreht!" Nicht ein, nicht zwei – gleich drei Geniestreiche in nur 18 Minuten sorgten in einem atemberaubenden Spitzenspiel doch noch fürs Happy End. Eine enorme Energieleistung – und das gar ohne die Hilfe des berühmten Zwölften Mannes – der Fans. Dennis Dressel mit dem Mute der Verzweiflung (68.), Bekiroglus Kracher aus 18 Metern (73.) und Owusus abgezockter Siegtreffer (86.) untermauerten, was allen Beobachtern der Blauen längst klar ist: Diese Löwen, mit 45 Punkten nun erstmals auf Relegationsrang drei, sind ein Aufstiegskandidat.
Ziereis wechselt zur SpVgg Bayreuth
"Wir sind jetzt Dritter und da werden wir uns nicht mehr vertreiben lassen", so Anführer Mölders, dem seine Familie im Duell mit seinem Ex-Klub ein "Team-Mölders-Plakat" in der gespenstischen Westkurve widmete: "Meine Frau und meine Kinder haben das gemacht. Es ist für mich ganz schwierig, weil sie meine Spiele sonst immer live anschauen und jetzt dürfen sie nicht." Dafür können sie nun, wie alle Sechzger, von der Zweiten Liga träumen. Die Ausnahme ist Markus Ziereis, der nun offiziell in die Regionalliga zur SpVgg Bayreuth wechselt.
Nach Duisburgs Zwei-Tore-Führung – durch Marvin Compper (33.) und Vincent Vermeij (49.) – sah Sechzig trotz starker Anfangsphase schon wie der Verlierer aus. "Wir haben ein Riesen-Spiel gemacht", urteilte Trainer Michael Köllner über die erste halbe Stunde, in der 1860 die Duisburger mit Ex-Löwe Moritz Stoppelkamp im Griff hatte. Wie bei Herbert Pauls Schuss (6.) mangelte es aber oft am Abschluss – bevor Duisburg seine Klasse aufblitzen ließ und zwei Wirkungstreffer setzte. Die Serie von 14 ungeschlagenen Spiele in Folge, die Aufstiegshoffnungen – beides schien nach 85 Tagen Zwangspause zu zerplatzen.
15 Löwen-Spiele ohne Pleite
Von wegen! Nach Schlusspfiff war klar: Weder der Liga-Primus, noch die Corona-Krise können Sechzig stoppen. Die längste Serie im deutschen Profifußball zählt nun 15 Löwen-Spiele ohne Pleite. Offensivmann Stefan Lex kennt die Gründe dafür. "Wir haben uns Woche für Woche ausgekotzt", erklärt der 30-Jährige über Sechzigs schweißtreibende und professionelle Vorbereitungen auf den Re-Start: "Wir haben alles, was wir trainieren konnten, trainiert." Deshalb konnten sich die Löwen mit aller Macht gegen die erste Pleite seit dem 1:2 bei Hansa Rostock am 26. Oktober 2019 stemmen. Lex: "Sonst wäre das alles umsonst gewesen." Auch Coach Köllner meinte, dass man in allen Bereichen gefeilt habe, etwa am Positionsspiel. Sein Schachzug in der 58. Minute, mit Owusu und Marius Willsch für mehr Offensiv-Power zu sorgen, ging voll auf.
Also, ist schon alles klar mit dem Aufstieg? Naja. Während Lex seine Löwen zwar "zurecht da oben" verortet, aber vor dem Endspurt warnte ("Zehn Spiele in fünf Wochen hat noch keiner in seiner Karriere erlebt"), mahnte vor allem Köllner: "Sich mit dem Aufstieg zu beschäftigen, ist völlig deplatziert für uns. Es ist ja heute nicht Schluss." Stimmt. Zudem sei erwähnt, dass die ersten elf Teams gerade mal fünf Punkte (!) trennen. Doch bleiben Köllners Aufholjäger verletzungsfrei und weiter so von allen guten Geistern beseelt, ist alles möglich.
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